Der Schauspieler Mario Adorf wird an diesem Dienstag 85 Jahre alt. Auch wenn ihn das aktuelle Flüchtlingsdrama entsetzt, hegt er für Til Schweiger keine Sympathien.

Stuttgart - Über Jahrzehnte hinweg war er der Schurke vom Dienst. In „Winnetou I“ hat er sogar Ntscho-tschi erschossen, was ihm noch heute verübelt wird. „Schauen Sie mal böse!“ heißt deshalb das schmale Erinnerungsbuch des an diesem Dienstag vor 85 Jahren in Zürich geborenen Mario Adorf. Demnächst geht er damit auf eine Lesetour, die ihn am 26. Oktober in die Stuttgarter Liederhalle führen wird. Dort kann man sich dann davon überzeugen, dass dieser höfliche, kluge, gebildete und vom Alter keineswegs angekränkelte Mann alles andere als ein Widerwart ist. Der große Schauspieler Mario Adorf ist ein höchst charmanter Gesprächspartner, wie sich beim Interview in Frankfurt gezeigt hat.
Herr Adorf, frei raus: ich bewundere Ihre Kunst. Wissen Sie, an welchen Satz Ihres Buchs ich jetzt denke, um nicht in Demut zu erstarren?
Nein. Was ist das für ein Satz?
Sie schreiben: Wenn man berühmten Zeitgenossen gegenüber steht, müsse man sich vorstellen, dass auch der Papst aufs Klo geht.
Ach ja, das hat mir meine Mutter eingebläut. Eine hilfreiche Vorstellung, wenn man dazu neigt, jemanden in den Himmel zu heben. Das hat mir sehr geholfen . . .
. . . unter anderem bei Ihrer ersten Begegnung mit Heinz Rühmann.
Ja, das war um 1960 herum, bei den Dreharbeiten zu „Mein Schulfreund“, wo Rühmann die Hauptrolle spielte. Zuvor hatte ich einen Film mit ihm abgesagt, „Ein Mann geht durch die Wand“. Ich war damals nicht mal dreißig, ein Jungschauspieler mit ausgeprägtem Selbstvertrauen, und ich wollte mir vom Großschauspieler Rühmann nichts bieten lassen. Er hatte angeblich das vertragliche Recht, ihm unliebsame Szenen von Kollegen aus den Filmen schneiden zu lassen. „Mit mir nicht, Herr Rühmann!“ – das war meine Haltung, bis es dann doch zu einer ersten, übrigens glücklichen Zusammenarbeit gekommen ist. Da hat mir der Papst-Satz sehr geholfen.
Haben Sie diesen Satz auch später gebraucht, um vor Autoritäten nicht einzuknicken?
Eigentlich nicht. Das Bedürfnis, große und mächtige Leute kennenzulernen, war bei mir nie entwickelt. Weder im Bereich von Film und Theater noch in der Sphäre der Politik – mit einer Ausnahme: Willy Brandt. Er war, auch aufgrund seines Emigrantenschicksals, ein Vorbild für mich und einer der wenigen Politiker, die ich mögen und bewundern konnte.
Gibt es heute noch welche, denen Ihre Bewunderung gilt?
Kaum. Es gibt einige, die ich achte, dazu gehören Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, die beide ein enorm belastendes Pensum absolvieren. Um ihre kräftezehrende Arbeit beneide ich sie nicht.