Gehen die Lokführer bald aus? Wegen der Konkurrenz von Deutscher Bahn und privaten Anbietern befürchtet die Eisenbahngewerkschaft EVG einen enormen Engpass an qualifiziertem Personal.

Berlin/Stuttgart - Im Juli 2016 war die Euphorie groß. Der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte die Verträge für den künftigen Personennahverkehr auf der Schiene für die sogenannten Stuttgarter Netze unterzeichnet. Den Zuschlag bei der Ausschreibung erhielten mit „Go-Ahead“ und der „Abellio-Gruppe“ zwei private Anbieter. Die Betriebsaufnahme ist für Sommer 2019 vorgesehen. Hermann jubelte damals: „Nun ist der Weg frei für attraktive Angebote für die Fahrgäste im regionalen Bahnverkehr auf den Strecken, die durch Stuttgart verlaufen“, sagte er damals. Vom Jahr 2019 an würden die Kunden „in modernen, klimatisierten und barrierefreien Zügen mit WLAN unterwegs sein“.

 

Gewerkschaft will die Notbremse ziehen

Nun aber schlägt die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG Alarm. Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner appellierte im Gespräch mit unserer Zeitung an den Landesminister, den bisherigen Betreiber Deutsche Bahn und die privaten Unternehmen: „Noch ist es Zeit. Ziehen Sie die Notbremse.“ Kirchner sorgt sich um die Personalsituation. „Es besteht die große Gefahr, dass 2019 zu wenig qualifiziertes Personal bei den neuen Betreibern vorhanden ist.“ Kirchner beschreibt das Problem so: Einerseits versuche die Bahn ihr Personal - von den Lokführern über Zugbegleiter bis zu den Angestellten in den Werkstätten rund 700 Personen - „bis auf den letzten Tag“ zu halten. Tatsächlich ist das aus Sicht der Bahn eine Erfolg versprechende Strategie, weil „die Mitarbeiter bei der Übernahme durch die Privaten Einbußen bei der Bezahlung und bei ihrer Altersversorgung befürchten müssen“. Es räche sich nun, so Kirchern, dass der Verkehrsminister bei der Ausschreibung „keinen verbindlichen Personalübergang festgeschrieben hat“, sagt Guntram Grasy, der Gewerkschaftssekretär Mitbestimmung für die Region Südwest bei der EVG-Gewerkschaft. Besonders befürchtet die EVG um die Zukunft der Zugbegleiter, da künftig nur noch eine Prüfquote von 25 Prozent vorgeschrieben ist, was darauf hinauslaufen könnte, dass nur noch in jedem vierten Zug das Personal mit der Ticketkontrolle beschäftigt wäre. Das habe auch Konsequenzen für die Sicherheit in den Zügen.

Ministerium schlägt einen Tarifvertrag vor

Das alles verdichtet sich bei der Gewerkschaft zu einer Befürchtung, die der EVG-Chef Kirchner so formuliert: „Im Sommer 2019 droht zu wenig Personal zur Verfügung zu stehen, um den Betrieb aufnehmen zu können.“ Er fordert vom Land Baden-Württemberg und den privaten Bahnen die Verpflichtung, „jedem Lokführer, Zugbegleiter und Werkstatt-Mitarbeiter ein Übernahmeangebot zu den Bedingungen ihres heutigen DB-Vertrages zu machen.“

Die Personalsituation der Bahn und war auch Thema eines Runden Tisches am Dienstag im Landesverkehrsministerium. Es sei um eine Aufwertung der Berufsbilder bei der Bahn gegangen sowie darum, den „Übergang von Personal zwischen zwei Anbietern ohne Reibungsverluste“ zu regeln, berichtet Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium. Das Verkehrsministerium habe angeregt, dass die Tarifparteien einen Betreiberwechsel-Tarifvertrag für die Branche ausarbeiten. Darin soll das Verfahren im Falle eines Wechsels von Mitarbeitern von einem Unternehmen zum anderen einheitlich geregelt werden. Alle Beteiligten - Bahnbetreiber und Gewerschaftler – vereinbarten hierzu im Gespräch zu bleiben. Es gehe darum den Mitarbeitern „ein verlässliches und transparentes Verfahren im Rahmen eines Betreiberwechsels zu bieten“, so Lahl.