Der Bundesinnenminister verbietet die Neonazigruppe „Nordadler“: Mit Hitlerkult, Hetze in Chatgruppen und einem Siedlungsprojekt wollte die Gruppe für einen neuen NS-Staat kämpfen.

Berlin - Erneuter Schlag gegen die rechtsextreme Szene: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Dienstag die neonazistische Vereinigung „Nordadler“ verboten. Die Gruppe propagiert nach Einschätzung des Ministeriums vor allem im Internet eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie und richtet sich damit gegen die verfassungsgemäße Ordnung. Es ist das dritte Verbot dieser Art in diesem Jahr. Die Neonazis sehen sich in der Nachfolge Adolf Hitlers. „Nordadler“ gehört zu den Gruppen, die im ländlichen Raum nationalsozialistische Siedlungsprojekte planen. Der Anführer versuchte laut Ministerium, über Chatgruppen unter anderem bei Telegram, Instagram und Discord sowie über eine Website jüngere Menschen anzuwerben, zu indoktrinieren und damit Verfassungsfeinde zu schaffen. Auch unter den Namen „Völkische Jugend, „Völkische Revolution“, oder „Völkische Gemeinschaft“ agiert die Gruppe.

 

Durchsuchungen in vier Ländern

Seehofer, der eigentlich am Vorabend kurzfristig alle Termine abgesagt hatte, erklärte zu dem Verbot, rechtsextremistische Vereine bräuchten heute keinen Stammtisch mehr, um ihre Ziele zu verfolgen, sondern könnten das Internet nutzen. „Vereine und Gruppierungen, die Hass und Hetze verbreiten und die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Staates herbeisehnen, werde ich verbieten“, so Seehofer. Ermittler durchsuchten am frühen Morgen Räume in Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Beschlagnahmt wurden in erster Linie PCs, Laptops und Handys, außerdem NS-Literatur, Reichskriegsflaggen und andere Devotionalien. Es habe weder Festnahmen noch Zwischenfälle gegeben.

Antisemitismus im Chat

Ein ausgeprägter Antisemitismus gehört nach Erkenntnissen der Ermittler zum Weltbild der Gruppe, genau wie eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung, die sich unter anderem in Gewaltfantasien gegenüber Polizisten äußert. In einer öffentlichen Telegram-Gruppe soll der Anführer den Anschlag auf die Synagoge von Halle gelobt haben. Im vergangenen Oktober hatte der 28-jährige Stefan B. am jüdischen Feiertag Yom Kippur versucht, die Synagoge zu stürmen und so viele Juden wie möglich zu töten, zwei Menschen starben. Schon vor zwei Jahren hatte der Generalbundesanwalt die Gruppe zeitweise wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und möglicher Anschlagsplanungen ins Visier genommen. Bei Durchsuchungen damals seien Listen mit Politikernamen gefunden worden, berichtete seinerzeit der NDR.Ursprünglich hatte der Bundesinnenminister am Dienstag den Verfassungsschutz bericht präsentieren wollen – die Pressekonferenz wurde jedoch wie alle anderen öffentlichen Termine abgesagt.

Möglicher Hintergrund könnte die öffentliche Auseinandersetzung um eine von ihm angedrohte Anzeige gegen eine Kolumnistin der Tageszeitung „taz“ nach deren verächtlicher Wortwahl gegenüber Polizisten sein. Seehofer hatte die Strafanzeige in der „Bild“-Zeitung angekündigt und damit eine Debatte über die Pressefreiheit ausgelöst. Daraufhin bat ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel um ein Gespräch. Bis Dienstagabend war nicht bekannt, dass eine derartige Anzeige erstattet worden wäre.