Mais ernten im August statt im September? Die vielen Hitzetage haben die Maispflanzen schneller heranwachsen lassen als üblich und die Ernte dabei dezimiert – so auch bei dem Landwirt Hans-Georg Schwarz in Leonberg.

Hans-Georg Schwarz bewirtschaftet den Falkenhof in Leonberg in der sechsten Generation. Das dritte Mal in seinem Landwirtschaftsleben erntet er den Mais schon im August. Am Dienstag, dem ersten Tag der Maisernte, lässt sich bei einer Rundfahrt über die Felder besichtigen, was die katastrophale Trockenheit dieses Sommers mit den Maispflanzen gemacht hat. Mehrere Tage wird Schwarz mit seinen Kollegen mindestens 16 Stunden pro Tag beschäftigt sein und auf 95 Hektar Fläche Mais ernten – die zweitwichtigste Ackerfrucht in Baden-Württemberg.

 

Mit dem Traktor geht es zum Acker. Aus einiger Entfernung sieht man schon die Häckselmaschine, die eine Fontäne Mais in den Anhänger des dazu parallel fahrenden Traktors spuckt. Greifzangen am Häcksler saugen die hochgewachsenen Pflanzen ein, führen sie über eine Walze und durch die Maschine zum Zerhackstückeln.

Am Feldrand steht auch der zuständige Jäger. Er schaut, ob Wildschweine in den Maisfeldern unterwegs waren. Die weichen, süßen Körner ziehen die Tiere an. Noch bevor die Landwirte ernten können, haben die Schwarzkittel oftmals schon in den Feldern gewütet. Dabei fressen sie aber nicht nur die Kolben, sondern reißen auch die Pflanze herunter, um an die Körner zu kommen. Und der Jäger müsste für den Schaden aufkommen. Doch dieser Acker ist wildschweinfrei.

Wasserstress bringt Ernteeinbußen

In immer kleiner werdenden Vierecken fahren Traktor und Häcksler über das Feld, so lange, bis keine Pflanze mehr steht. Wer gerade nicht auf dem Feld unterwegs ist, bringt die Ernte zum Hof. Hier wird der Mais nach dem Häckseln in ein Silo abgeladen, gewalzt und luftdicht unter einer Folie eingepackt. Dabei vergären Milchsäurebakterien den Zucker. Der Mais wird so haltbar gemacht.

Landwirt Schwarz blickt auf den trockenen Boden, der durch die Hitze viele Risse aufweist. Er zieht gelbliche Blätter von einem Maiskolben herunter und schüttelt den Kopf: „Viele Körner sind kleiner oder vertrocknet. Manche Pflanzen haben überhaupt keine Kolben ausgebildet, dafür hätten sie mehr Energie gebraucht.“ Dort, wo der Boden wenig Steine aufweist und aus viel Humus besteht, konnten die Pflanzen immerhin gut wachsen.

Aus den 60 Tonnen Mais, die Schwarz letztes Jahr ernten konnte, wird somit dieses Jahr nichts. Höchstens 35 oder 40 Tonnen werden als Futter im Silo landen. Satt werden müssen davon 440 Milchkühe, die auf dem Falkenhof stehen. Ihre Milch sichert das Einkommen des Betriebs.

Alarmstufe bei der Bodenfeuchte

Mais ist eigentlich eine effiziente Pflanze und trotzt zumeist der Hitze. Besonders die durch Züchtung und Kreuzung gewonnen Sorten brachten Landwirten in den letzten Jahrzehnten hohe Ernteerträge ein. Ausreichend Wasser braucht die Pflanze aber unbedingt. Blickt man jedoch auf die Karte des Deutschen Wetterdienstes, die die Bodenfeuchte für ganz Deutschland anzeigt, sieht man fast ausschließlich eine Farbe: Dunkelgelb bis Orange.

Das bedeutet Wasserstress für die Pflanzen und folglich Ernterückgänge. Besonders schlimm ist die Lage am Rheingraben oder im Rhein-Neckar-Raum.

Die richtige Saat aus über 500 in Deutschland zugelassenen Sorten zu wählen, die auch unter Umweltschutzaspekten richtige Düngermenge auszubringen und Anbauempfehlungen zu folgen, sind wichtige Werkzeuge, „aber ob das, was man macht, richtig ist, weiß man nie“, sagt der stellvertretende Betriebsleiter Thomas Kegel. Machtlos sind sie gegen Extremwetter. Gegen Hagel gibt es zwar eine Versicherung, doch gerade bei Mais lässt sich eine Ernte nicht zurückkaufen, viele Landwirte brauchen das Futter für die eigenen Tiere.

Mais ist nicht gleich Mais

Albrecht Melchinger ist Maisspezialist an der Universität Hohenheim. Er erforscht, wie man Mais klimaresistenter machen könnte. Früher standen bei der Maiszüchtung primär Ertrag und Qualität im Fokus. „Diesen Luxus können wir uns heute nicht mehr leisten“, sagt der Experte, „denn der Klimawandel bringt den Mais in die Bredouille.“

Nicht nur die Hitze-, sondern auch die Kältetoleranz ist wichtig in der Klimakrise. „Würde der Mais besser mit tiefen Temperaturen klarkommen, könnte man früher aussäen und hätte durch den Wachstumsvorsprung bei der ersten Dürreperiode schon kräftigere Pflanzen“, erklärt Melchinger. Die Kältetoleranz sei heute daher ein wesentliches Merkmal in der Maiszüchtung.

Sinnvoll wären auch Sorten, die resistenter gegenüber Wasserstress wären – und trotzdem gute Erträge von hoher Qualität erbringen würden: „Wenn wir diese genetischen Muster kennen, können wir im Vorfeld die vielversprechendsten Kandidaten ermitteln und so die Züchtung beschleunigen.“ In sogenannten Trainingspopulationen testen die Hohenheimer Wissenschaftler verschiedenste Sorten auf ihre Toleranzen. Zugelassen werden müssen solche Sorten dann vom Bundessortenamt.

Mais ist nicht nur Tierfutter

Körnermais in der EU
Nicht jeder Landwirt nutzt seine Ernte ausschließlich als Futtermittel. Mais ist ein weltweit gehandelter Rohstoff – und sein Preis steigt massiv durch Ernteeinbußen. In der Europäischen Union (plus Großbritannien) werden 76 Prozent des angebauten Körnermaises verfüttert. 16 Prozent gehen in die industrielle Verwertung und werden dort etwa als Maisgrieß und Maisstärke in der Lebensmittelwirtschaft oder als Rohstoff zur Herstellung von Kosmetika, Medikamenten, Papier oder Pappe verwendet. Acht Prozent werden zu Biokraftstoff verarbeitet.

Grundnahrungsmittel
Während hierzulande der Zuckermais auf dem Grill oder im Salat bevorzugt wird, ist der klassische Körnermais für viele Kulturen ein Grundnahrungsmittel. Millionen Menschen in Afrika sind abhängig von Mais- oder Hirse-Importen – und bei Ernteeinbußen oder kriegsbedingten Liefereinschränkungen somit unmittelbar vom Hunger bedroht.