Am Eingang der ehemaligen Schlecker-Lagerhallen in Ehingen-Berg ist es noch stiller. Das Pförtnerhäuschen ist unbesetzt, Topfblumen lassen ihre dürren Köpfe hängen. Im Inneren der Lagerhalle ragen orange-blau gestrichene Regale die hohen Räume empor. Ein Klacken ertönt. Ist da jemand? Nein, hier arbeitet niemand mehr, es ist nur Wasser, das vom Dach in die Halle tropft. Auf dem Boden liegen alte Schlecker-Tüten, Fußabdrücke zeichnen sich auf ihnen ab, daneben sind Tampons verstreut und Kartons mit der Aufschrift „Verfallene Ware“. In der Ecke ein Schreibtisch, dahinter ein Bürostuhl. Mappen aus dem Jahr 2012 stapeln sich auf dem modrigen Boden, Wochenpläne von 2011 hängen an der Wand, darüber eine Uhr, sie ist um zehn vor 12 Uhr stehen geblieben. Mit Anton Schlecker war die Zeit nicht so gnädig.

 

Einst war Ehingen der ganzen Republik ein Begriff. „Aber zum Glück“, sagt der Bürgermeister und schlägt die Hände zusammen wie zu einem Stoßgebet, „zum Glück haben wir noch den Liebherr!“ Von seinem Amtszimmer aus zeigt Alexander Baumann nach Norden, zur Zentrale des Unternehmens. Die Kräne, die dort gebaut würden, seien viel bekannter, als Schlecker es jemals war, sagt Baumann. Liebherr ist nun Ehingens ganzer Stolz.

„Mir tut er unglaublich leid“, sagt die treue Kundin, die 35 Jahre lang nur in den blau-weißen Läden eingekauft hat, während sie eine Strickjacke beäugt, wo sich einst Klopapierrollen stapelten. „So ein fleißiger Mann, hat nur gearbeitet und dann für nichts.“ In die Räume der ehemaligen Schlecker-Filiale im Zentrum Ehingens ist im November 2012 das Bekleidungsgeschäft Gerry Weber eingezogen. Nur noch der Geruch erinnere an Schlecker, sagt die Verkäuferin. Aus dem Keller ist der Fleischgestank nicht rauszukriegen, an den Drogeriemarkt war eine Metzgerei angeschlossen, sie stammt aus einer Zeit, als noch der „alte Schlecker“, wie die Ehinger Anton Schleckers Vater nennen, das Sagen hatte. Damals, als man von der Paula Schlecker, der Mutter, immer eine Scheibe Wurst geschenkt bekam. So fing alles an.

Anton Schlecker schlummert in der Erinnerung seines ehemaligen Schulkollegen. Herr Duffner, der Bäcker mit dem kugelrunden Bauch, wohnt noch immer in der Felchenstraße gleich gegenüber von Schleckers Elternhaus und denkt zurück an Anton, den Metzgerlehrling und besten Kopfrechner der ganzen Klasse, während er seine Mohnblumen im Garten gießt. Und wie könnte er den Tag vergessen, als Anton mit einem nagelneuen weißen Mercedes in seinen Opel Kadett, Baujahr 65, hineinpreschte, aber sofort ausstieg, sich entschuldigte und die Reparatur bezahlte.

„Ohne Zweifel hat Anton Schlecker viel Gutes für die Stadt getan“, sagt Günther Reisch. Das Ehinger Sommerfest hat er gesponsert, und der Narrenzunft hat er eine Küche bezahlt. „Aber wie er mich andererseits auch geplagt hat mit seiner Sparsamkeit“, erinnert sich der Bauingenieur, der in Ehingen alle Immobilien für Schlecker plante. Wie jeden zweiten Montag sitzt Günther Reisch mit seinen Freunden in der Kegelstube des Gasthofs Sonne. „Ich hab Toni zu ihm gesagt“, sagt der weißhaarige Karl und wirkt, als wundere ihn das selbst am allermeisten. 40 Jahre lang hat er für die Familie Schlecker gearbeitet. 1995, zwei Jahre vor seiner Pension, kam dann Schleckers Frau, zu er schon seit je Christa sagte, auf ihn zu und meinte: „Karl, ich bin von jetzt an die Frau Schlecker für dich.“ Die Christa, sagt der Karl, sei schon immer „eine Bazille“ gewesen.

Schlecker sei vor allem an seiner Geizkultur gescheitert, hat Roland Alter, der Leiter des Studiengangs Unternehmensführung an der Hochschule Heilbronn, in seinem Buch geschrieben. Und daran, dass er jedem misstraute. Bis heute hat sich der Patriarch, der einst ein Imperium leitete, nicht öffentlich zum Ende der Firma geäußert. Kein einziges Wort ist überliefert.

Auch in Ehingen sieht man ihn kaum noch vor der hohen Mauer, die sein Anwesen schützt. Das Garagentor ist weiß-rosa gestrichen und trägt ein Schild: „Privatgrundstück – Betreten verboten“.

Drei Kilometer trennen die Villa von der Konzernzentrale im Süden der Stadt. Es war der tägliche Weg Schleckers, den er mit seinem Porsche Cayenne, Kennzeichen UL-AS 1944, zurücklegte. Dazwischen liegt das Zentrum von Ehingen. Wetterhähne zeigen die Windrichtung auf den Dächern der Fachwerkhäuser, Gartenzäune trennen privaten von öffentlichem Grund. Immer dienstags und samstags erledigen Frauen mit geflochtenen Körben ihre Einkäufe auf dem örtlichen Wochenmarkt.

Als Schandflecke empfinden viele Ehinger die ehemaligen Schlecker-Immobilien. Niemand will sie jetzt haben. Fast surrealistisch erhebt sich der Glaspalast, wie die Ehinger die siebenstöckige Schlecker-Zentrale nennen, aus den Weiden in der Umgebung. Hier hat nun Arndt Geiwitz, der Insolvenzverwalter, das Sagen. Eine Handvoll ehemaliger Schlecker-Angestellter zerlegt mit ihm in Stücke, was sie unter dem früheren Chef aufgebaut haben.

Gespenstisch sei die Stimmung da drinnen, zum Fürchten, sagt eine Frau, deren ehemalige Kollegin dort arbeitet. Gänge ohne Menschen, leere Zimmer, an deren Türen stehe: „Dieses Büro ist nicht besetzt.“ Schlecker habe noch ein Zimmer im Glasbau gemietet, heißt es. Ab und an soll er wie früher mit einem separaten Aufzug von der Garage hoch in sein Büro fahren.

Nun ist Liebherr Ehingens ganzer Stolz

Am Eingang der ehemaligen Schlecker-Lagerhallen in Ehingen-Berg ist es noch stiller. Das Pförtnerhäuschen ist unbesetzt, Topfblumen lassen ihre dürren Köpfe hängen. Im Inneren der Lagerhalle ragen orange-blau gestrichene Regale die hohen Räume empor. Ein Klacken ertönt. Ist da jemand? Nein, hier arbeitet niemand mehr, es ist nur Wasser, das vom Dach in die Halle tropft. Auf dem Boden liegen alte Schlecker-Tüten, Fußabdrücke zeichnen sich auf ihnen ab, daneben sind Tampons verstreut und Kartons mit der Aufschrift „Verfallene Ware“. In der Ecke ein Schreibtisch, dahinter ein Bürostuhl. Mappen aus dem Jahr 2012 stapeln sich auf dem modrigen Boden, Wochenpläne von 2011 hängen an der Wand, darüber eine Uhr, sie ist um zehn vor 12 Uhr stehen geblieben. Mit Anton Schlecker war die Zeit nicht so gnädig.

Einst war Ehingen der ganzen Republik ein Begriff. „Aber zum Glück“, sagt der Bürgermeister und schlägt die Hände zusammen wie zu einem Stoßgebet, „zum Glück haben wir noch den Liebherr!“ Von seinem Amtszimmer aus zeigt Alexander Baumann nach Norden, zur Zentrale des Unternehmens. Die Kräne, die dort gebaut würden, seien viel bekannter, als Schlecker es jemals war, sagt Baumann. Liebherr ist nun Ehingens ganzer Stolz.

„Mir tut er unglaublich leid“, sagt die treue Kundin, die 35 Jahre lang nur in den blau-weißen Läden eingekauft hat, während sie eine Strickjacke beäugt, wo sich einst Klopapierrollen stapelten. „So ein fleißiger Mann, hat nur gearbeitet und dann für nichts.“ In die Räume der ehemaligen Schlecker-Filiale im Zentrum Ehingens ist im November 2012 das Bekleidungsgeschäft Gerry Weber eingezogen. Nur noch der Geruch erinnere an Schlecker, sagt die Verkäuferin. Aus dem Keller ist der Fleischgestank nicht rauszukriegen, an den Drogeriemarkt war eine Metzgerei angeschlossen, sie stammt aus einer Zeit, als noch der „alte Schlecker“, wie die Ehinger Anton Schleckers Vater nennen, das Sagen hatte. Damals, als man von der Paula Schlecker, der Mutter, immer eine Scheibe Wurst geschenkt bekam. So fing alles an.

Anton Schlecker schlummert in der Erinnerung seines ehemaligen Schulkollegen. Herr Duffner, der Bäcker mit dem kugelrunden Bauch, wohnt noch immer in der Felchenstraße gleich gegenüber von Schleckers Elternhaus und denkt zurück an Anton, den Metzgerlehrling und besten Kopfrechner der ganzen Klasse, während er seine Mohnblumen im Garten gießt. Und wie könnte er den Tag vergessen, als Anton mit einem nagelneuen weißen Mercedes in seinen Opel Kadett, Baujahr 65, hineinpreschte, aber sofort ausstieg, sich entschuldigte und die Reparatur bezahlte.

„Ohne Zweifel hat Anton Schlecker viel Gutes für die Stadt getan“, sagt Günther Reisch. Das Ehinger Sommerfest hat er gesponsert, und der Narrenzunft hat er eine Küche bezahlt. „Aber wie er mich andererseits auch geplagt hat mit seiner Sparsamkeit“, erinnert sich der Bauingenieur, der in Ehingen alle Immobilien für Schlecker plante. Wie jeden zweiten Montag sitzt Günther Reisch mit seinen Freunden in der Kegelstube des Gasthofs Sonne. „Ich hab Toni zu ihm gesagt“, sagt der weißhaarige Karl und wirkt, als wundere ihn das selbst am allermeisten. 40 Jahre lang hat er für die Familie Schlecker gearbeitet. 1995, zwei Jahre vor seiner Pension, kam dann Schleckers Frau, zu er schon seit je Christa sagte, auf ihn zu und meinte: „Karl, ich bin von jetzt an die Frau Schlecker für dich.“ Die Christa, sagt der Karl, sei schon immer „eine Bazille“ gewesen.

Seit der Insolvenz, erzählen sich die Kegelfreunde, pflegt Anton Schlecker kaum noch Kontakt zu seinen früheren Freunden. Nicht mal zum Skat treffe er sich noch mit ihnen. Ganz alleine sitze der Toni nun zu Hause. „Seien wir froh“, sagt einer der Kegler, „dass wir noch beisammen sind.“