Die Verwaltung prüft die Veröffentlichung und Kommentierung von Vorwürfen gegen Bürgermeister Werner Wölfle auf strafrechtliche Relevanz. Dafür bietet sie jedoch selbst ein Forum.

Stuttgart - Die Ankündigung der Stadt, die Veröffentlichung und Kommentierung anonymer Vorwürfe von Mobbing, Lüge und der Anstiftung zum Betrug gegen Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) auf ihre strafrechtliche Relevanz zu prüfen, ist im Gemeinderat am linken und rechten Flügel auf Unverständnis gestoßen. Stadtrat Luigi Pantisano (SÖS/Linke-plus), der die Schmähschrift auf seine Facebookseite gestellt hatte, findet es „schade“, dass Wölfle „bei so was konsequent vorgeht, aber bei sich keine Fehler sieht“. Dabei hat Stadtsprecher Sven Matis gar nicht behauptet, dass Wölfle selbst aktiv geworden sei.

 

Beschuldigung und Entschuldigung

Pantisano hatte den Brief am Mittwoch von seiner Seite genommen – ohne nach eigener Aussage von der Prüfung gewusst zu haben - und sich für die Veröffentlichung entschuldigt. Es sei ihm nicht primär um die Verbreitung gegangen, sondern darum, „auf die von Misstrauen und Vorwürfe geprägte Lage in der Verwaltung“ hinzuweisen. Diese Botschaft sei aber nicht angekommen. Stattdessen hätten „die Rechten im Gemeinderat meinen Beitrag für ihre üble Hetze missbraucht“.

Damit dürfte er vor allem Bernd Klingler (BZS 23, früher AfD) gemeint haben, der in einer Ausschusssitzung zum Klinikum-Skandal behauptet hatte, nirgendwo im Rathaus gebe es so viele fristlose Kündigungen wie in Wölfles Sozialreferat. Außerdem habe der Bürgermeister eine Mitarbeiterin – die Vorsitzende des Arbeitskreises, im dem über EU-Fördermittel entschieden wird – zum Betrug aufgefordert. Klingler erklärte am Freitag, es sei eine „verkehrte Welt“, dass der Bürgermeister in die Offensive gehe und rechtliche Schritte prüfen lasse, „damit weitere Steuergelder verblödet werden, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe. Meine Behauptungen sind alle belegbar.“

Fiechtner steht Klingler bei

Sein Stadtratskollege Heinrich Fiechtner (BZS 23, früher AfD) sprang ihm auf Facebook bei: Wölfle versuche mit Hilfe „des schlechtesten OB seit Str. seine Felle zu retten“. Mit Str. meint er den von 1933 bis 1945 amtierenden Nazi-OB Karl Strölin. Klingler sieht ein Fehlverhalten aufgrund von Arbeitsgerichtsverfahren, etwa mit der Arbeitskreisvorsitzenden, aber auch mit einer Schwerbehinderten, die jahrelanges, systematisches Mobbing beklagt.

Das anonym diffamierende Schreiben ist eine Reaktion auf eine Solidaritätsadresse von Amtsleitern aus dem Sozialreferat. Sie wollen sich ihren Bürgermeister nicht wegen des Klinikum-Skandals schlecht reden lassen. Allerdings bietet die Verwaltung selbst wöchentlich im Amtsblatt ein Forum, das Kritiker aus der rechten Ecke für Behauptungen und Unterstellungen nutzen, die den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen könnten.

Im Amtsblatt darf beleidigt werden

So habe also Klingler und Fiechtner – vor zwei Wochen im offiziellen Mitteilungsorgan der Landeshauptstadt über den „Lügenbaron und seine Kumpane im Amt“ schwadronieren dürfen. „Arroganz der Macht, Vetterleswirtschaft und Falschaussagen“ seien Wölfles Repertoire.

Auch in diesem Artikel wurde auf den noch nicht beendeten Rechtsstreit mit der Arbeitskreisvorsitzenden verwiesen: „Er zwingt Mitarbeiter dazu, nicht qualifizierte Unternehmen mit Aufträgen zu versehen – ein korruptives Handeln“. Wer nicht mitspiele „bei diesen Schurkenstücken, wird abgemahnt und gekündigt“.

Dass im Amtsblatt Bürgermeister als Straftäter beschrieben werden dürfen, geht offenbar auf eine Entscheidung des Ältestenrats zurück. Meinungsbeiträge von Fraktionen und Gruppen würden „allein die Auffassung des jeweiligen Verfassers“ wiedergeben. Stadtsprecher Matis betont: „Der Verfasser ist verantwortlich für den Inhalt, so machen wir das auch im Amtsblatt kenntlich.“ Er beobachte, dass „immer wieder grenzwertige Beiträge eingereicht werden“. Man prüfe dann, ob die Aussagen rechtlich zulässig seien. Das koste oft Zeit und Nerven.