Die meisten Kreisräte stimmen der Gründung eines Zweckverbands zu. Nach langem Ringen ist auch Leonberg dabei.

Leonberg - Bernd Dürr könnte sich beim Thema Breitbandausbau zurücklehnen und sagen: „Eigentlich ist fast alles gut.“ Doch der Bürgermeister von Bondorf sieht Verbesserungsbedarf. „Wir sind in unserer Gemeinde fast flächendeckend mit Glasfaserkabel versorgt“, sagt der 49-Jährige.

 

Allerdings nur bis zu den Verteilerstationen. Auf den letzten Metern bis zu den Gebäuden sind Kupferkabel verlegt worden. „Dadurch ist der Upload nicht so schnell wie das Downloaden“, sagt der Ortschef. Das treffe besonders diejenigen, die zu Hause arbeiteten: „Sie kommen nicht rasch genug an Daten.“ Dürr war deshalb einer der Kreisräte, die während der jüngsten Kreistagstagssitzung sein Plazet zur Gründung eines Zweckverbands Breitbandkabel gab. Die überwiegende Mehrheit in dem Gremium stimmte ebenfalls für ein gemeinsames Vorgehen, ein modernes Internet zu schaffen.

Schlechte Erfahrungen mit der Telekom

Die Gegner und Zweifler, die die Gründung eines Zweckverbands zum jetzigen Zeitpunkt oder auch überhaupt ablehnen, hatten sich bereits im Vorfeld der Abstimmung zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief an den Landrat Roland Bernhard kritisierten die Oberbürgermeister von Leonberg, Böblingen und Sindelfingen, dass sie „bei solch einer wichtigen Weichenstellung für die Zukunft unserer Städte eine umfassende Information über die Auswirkungen einer Mitgliedschaft im Zweckverband“ vermissten.

Sie sprachen die „Kooperationsvereinbarung“ mit der Telekom an, die das Ziel beinhalte, „in partnerschaftlicher Zusammenarbeit in der Region den Glasfaserausbau voranzutreiben“. Doch gerade dabei zeigt sich Sindelfingen enttäuscht.

Zu den „schlechten Erfahrungen“ mit der Telekom, die sich laut Aussage einiger Kommunen nicht an Absprachen hält, zählt auch, dass sie jüngst in Sindelfinger Gewerbegebieten, wo fast alle Unternehmen bereits an ein leistungsstarkes Glasfasernetz angeschlossen sind, ein kostenloses Gigabit-Hochgeschwindigkeitsnetz anbot. „Juristisch gesehen darf die Telekom das natürlich“, sagte Karl Peter Hoffmann zu dem Vorgang. „Damit ist die Telekom aber nicht mehr unser Partner“, fügte der Sindelfinger Stadtwerke-Chef aber hinzu.

Leonberg ist dabei

Der Sindelfinger Oberbürgermeister Vöhringer berief sich auf den Beschluss des Gemeinderats, dem Zweckverband nicht beizutreten. Schließlich sollen die Kommunen beim Glasfaserausbau – ihren Obolus an die Telekom leisten. Dabei sind in Sindelfingen 80 Prozent aller Haushalte und fast alle Firmen versorgt. Der Zweckverband wurde dennoch mit neun Gegenstimmen und drei Enthaltungen gegründet. Landrat Roland Bernhard bilanzierte: „Ihm gehören 22 Kommunen im Kreis an.“

Seit dem späten Dienstagabend sind es sogar 23. Der Leonberger Gemeinderat hat mit knapper Mehrheit für den Beitritt gestimmt. Oberbürgermeister Martin Kaufmann (SPD) hatte zuvor noch mit Nachdruck dafür geworben, erst weitere Informationen abzuwarten, bevor ein Beitrittsbeschluss gefasst werde. Sonst wisse man nicht, ob es wirklich genügend Vorzüge für die Stadt gebe.

Oliver Zander drängt auf Beitritt

Eine Skepsis, die auch die Grünen teilten: „Der Kreis ist nur Vermittler, trägt aber keinerlei Risiko“, erklärte der Fraktionschef Bernd Murschel. „Die Kommunen haben hingegen das volle Risiko, weil sie sich an das Ausbau-Konzept binden und nicht selbst entscheiden können. „Wenn wir jetzt nicht beitreten, dann machen wir das, was wir die vergangenen fünf Jahre gemacht haben: nichts“, entgegnete Oliver Zander (CDU). Nach einer teils sehr emotionalen Debatte stimmten vier der 32 Stadträte für den Einstieg in den Zweckverband. Zehn waren dagegen, acht enthielten sich.

In Böblingen und Herrenberg werden sich die Gemeinderäte noch mit dem möglichen Beitritt befassen.

Weil der Stadt macht mit

Auf die Telekom ist man in der Weil der Städter Kommunalpolitik nicht gut zu sprechen. Man erinnert sich nur zu gut an 2013. Damals hatte der Konzern erklärt, das Breitbandnetz in Hausen und Münklingen nicht ausbauen zu wollen. Daraufhin baute die Stadt das Netz selbst aus. Kaum aber war die Stadt fertig, hatte die Telekom doch Interesse und verlegte eigene Leitungen – direkt neben die der Stadt.

All das schwang mit, als die Weiler Stadträte am Dienstag über den Beitritt zu dem Kreis-Zweckverband zu befinden hatten. Der Beigeordnete Jürgen Katz konnte aber Positives berichten: „Es gibt deutliche Wiedergutmachungsbemühungen bei der Telekom“, sagte er. Das sei in Gesprächen mit dem Konzern glaubhaft versichert worden.

„Der Zweckverband bietet uns die Möglichkeit, von Anfang an mit dabei zu sein“, warb Katz für den Beitritt. Man werde die Telekom um einen Besuch bitten, damit sie berichten könne, was sie in der Stadt vorhabe. Der Gemeinderat stimmte dem Beitritt zu dem Zweckverband des Landkreises schließlich einstimmig zu.

Bernhards Forderungen an die Telekom

Vorgehen
Ende Januar soll in Böblingen die konstituierende Sitzung für den Zweckverband Breitbandausbau stattfinden. Im Februar ist laut dem Landrat Roland Bernhard die Gründung einer GmbH geplant, die mit der Telekom den Ausbau betreibt. Ihr sollen die Kreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg sowie der Rems-Murr-Kreis angehören, die ebenfalls einen Zweckverband gründen. Mit dabei sein sollen auch die Landeshauptstadt sowie die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. Der Böblinger Kreistag bewilligte den für dieses Jahr erforderlichen Mitgliedsbeitrag von 80 000 Euro und für die Folgejahre in Höhe von 120 000 Euro.

Versorgung
Das Ziel der Gesellschaft ist es, bis 2020 insgesamt 94 Prozent aller Haushalte und Unternehmen mit Glasfaserkabel und einer Bandbreite von 100 bis 250 Mbit/s auszustatten. 2022 sollen 90 Prozent aller Gewerbegebiete mit Anschlüssen von mindestens einem Gigabit versorgt sein. 2030 soll diese Leistung allen Firmen und 90 Prozent aller Haushalte zur Verfügung stehen.

Vertrag
Mit der Deutschen Telekom wurde ein sogenannter Letter of Intend abgeschlossen, eine Absichtserklärung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Der Böblinger Landrat pocht darauf, dass es einen weiteren Vertrag mit der Telekom gibt, in dem die Ausbauplanung im Detail geregelt wird. Er fordert für alle 179 Kommunen in der Region eine verlässliche Jahresplanung mithilfe von Kriterien, wer beim Glasfaserausbau zuerst zum Zug kommen soll.