Der Landkreis Ludwigsburg plant ein umfassendes Netz von Schnellwegen für Radfahrer. Fünf große Routen, teilweise bis nach Stuttgart, werden gerade vorbereitet. Allein die Trasse zwischen Waiblingen und Ludwigsburg soll 31 Millionen Euro kosten.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Karl-Heinz Balzer blickte ungläubig in die Runde – als würde er sich in genau diesem Moment wünschen, dass ihn jemand korrigiert. Dass ihn jemand im Saal darauf hinweist, dass er einen Rechenfehler gemacht hat. „Zwei Millionen Euro pro Kilometer Radweg, das hat mich fast erschlagen“, sagte der Freie-Wähler-Kreisrat und Remsecker Bürgermeister. Aber Balzer ist ein kluger Mann und die Rechenaufgabe war nicht allzu schwer. „Die Kosten für die Realisierung der Gesamtstrecke belaufen sich nach derzeitigen Schätzungen auf insgesamt 31 Millionen Euro“, stand in dem Papier, das die Kreisverwaltung vor der jüngsten Sitzung des Technik- und Umweltausschusses am Montag an die Ludwigsburger Kreisräte verteilt hatte. 14,8 Kilometer lang ist die Strecke zwischen Ludwigsburg und Waiblingen, und das heißt: Balzer hat richtig gerechnet, zumindest fast. Sollte die Kostenschätzung korrekt sein, wären es am Ende ziemlich genau 2,1 Millionen Euro pro Kilometer.

 

Das Ludwigsburger Landratsamt bereitet derzeit, mit unterschiedlichen Partnern, den Bau mehrerer Rad-Schnellwege durch das Kreisgebiet vor. Insgesamt fünf Trassen sind geplant, am Montag widmete sich der Ausschuss der Verbindung zwischen Ludwigsburg und Waiblingen. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Rems-Murr-Kreis, der dafür eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hatte, und jetzt wurden in Ludwigsburg die Ergebnisse präsentiert – die Zahlen sind bemerkenswert. Das gilt einerseits für die enormen Kosten, andererseits aber auch für den Nutzen. Die Studie geht davon aus, dass die Strecke von durchschnittlich 2100 Radfahrern am Tag benutzt wird.

Kritik an den Plänen gibt es nicht – aus gutem Grund

Die hohen Kosten und der hohe Nutzen resultieren daraus, dass sich Radschnellwege, manche sprechen auch von Rad-Autobahnen, kaum mit regulären Radwegen vergleichen lassen. Sie sind wesentlich breiter und führen schnurstracks von einem Ort zum nächsten, ohne Umwege – und sollen so zu einer echten Alternative für Berufspendler werden, die bisher mit dem Auto zur Arbeit fahren. „Damit leisten Radschnellverbindungen auch einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung“, erklärt das Landratsamt.

Das ist ein entscheidender Grund, warum die Kreisräte dem Vorhaben am Montag ihren Segen gaben, und zwar einstimmig, trotz der Kosten. Der andere: Für den Bau von Rad-Schnellwegen fließen kräftige Fördersummen von Bund und Land, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Die wichtigsten sind, dass die Strecke mindestens fünf Kilometer lang ist und eine Machbarkeitsstudie nachweist, dass sie voraussichtlich von mehr als 2000 Radlern am Tag benutzt wird. Beides ist zwischen Ludwigsburg und Waiblingen gegeben, weshalb die Verantwortlichen davon ausgehen können, dass Bund und Land mehr als 85 Prozent der Gesamtkosten übernehmen.

Bis zu 9000 Radler pro Tag auf einer Strecke

So werden dann auch Ausgaben in Höhe von 31 Millionen Euro für die beiden Landkreise erträglich, zumal sich auch die Städte Ludwigsburg, Remseck und Waiblingen, die an der Strecke liegen, finanziell beteiligen werden.

Im vergangenen Juni ist die landesweit erste Rad-Autobahn eröffnet worden, von Böblingen nach Stuttgart. Zahlreiche weitere sind in Planung, und rund um Ludwigsburg soll gleich an ganzes Netz entstehen. An fünf Machbarkeitsstudien ist der Kreis beteiligt, zwei werden federführend in Ludwigsburg voran getrieben: Für den 20 Kilometer langen Weg entlang der B 27 zwischen Bietigheim und Stuttgart rechnet das Landratsamt mit bis zu 9000 Radfahrern pro Tag. Für die Route von Vaihingen über Schwieberdingen nach Stuttgart werden 3000 Radler erwartet. Hinzu kommen Trassen von Pforzheim nach Vaihingen sowie Leonberg nach Stuttgart, hier liegt die Planungshoheit beim Enzkreis und beim Kreis Böblingen.

Mit dem jüngsten Beschluss hat der Ausschuss den Kreis ermächtigt, die weitere Planung zwischen Waiblingen und Ludwigsburg in Auftrag zu geben, die Kreisräte im Rems-Murr-Kreis hatten zuvor bereits zugestimmt. Auf Basis dieser Planung kann dann der Förderantrag gestellt und danach mit der Umsetzung begonnen werden. „Es muss jetzt schnell voran gehen“, sagte Christine Knoß von den Grünen im Ausschuss. Das Verkehrsministerium rechnet allerdings mit einer Planungszeit von mindestens zwei Jahren. 2022 könnte demnach mit der „abschnittsweisen Realisierung“ begonnen werden, erklärt das Landratsamt.

Muss die Kostenprognose noch angepasst werden?

Durchaus denkbar ist, dass die Kostenprognose noch erheblich angepasst werden muss, denn noch steht nicht fest, wo genau der Radweg verlaufen wird. In der Machbarkeitsstudie wurden zwei sogenannte Vorzugstrassen definiert: eine führt von Waiblingen über den Remsecker Stadtteil Neckargröningen nach Ludwigsburg, die andere nimmt den Weg über Remseck-Aldingen. Die hohen Kosten sind hauptsächlich der schwierigen Topografie geschuldet, die aller Voraussicht nach den Bau zusätzlicher Brücken erforderlich macht.