Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause sind sich Künstler und Volk am Samstag bei der Kunstnacht in Schorndorf endlich wieder hautnah begegnet. Ein Hingucker waren auch die Schmetterlingsengel.

Die Schmetterlingsengel von Katharina Trost alias Dada sind über den Besuchern im Schock-Areal in Schorndorf geschwebt. Die farbenfrohen Flug-Figuren sollen Hoffnung auf Frieden, Freiheit und Fantasie verbreiten, sagte die Künstlerin aus Winterbach. Christoph Traubs stark reduzierte Skulpturen aus Stein, die er in seinem Atelier im Röhm präsentierte, reduzieren den Menschen auf Torsi, Rümpfe und andere Gliedmaßen. Die Freiheit der Kunst und die Fantasie beim Betrachten wurden am Samstag an vielen Plätzen in der Stadt gefeiert. Die Kunstnacht hat nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wieder Farbe ins herbstliche Regengrau gebracht – und jede Menge Leben an rund 60 kreativen Anlaufstellen für Kunst, Austausch, Begegnung und Genuss in der Daimlerstadt.

 

In der Kunstnacht ist für jeden das Passende geboten

Über Kunst lässt sich trefflich streiten. Doch bei der Kunstnacht in Schorndorf findet jeder Kunstfreund etwas nach seinem Geschmack. Und überall entstanden aus den Begegnungen mit der Kunst und den Menschen inspirierende Gespräche.

Im Schock-Areal flogen nicht nur Friedensengel durch die Luft, sondern es wurden von Christian Gehring und Fabian Zahlecker bedeutende historische Reden rezitiert, etwa von dem Theologen Dietrich Bonhoeffer, dem Kremlkritiker Alexei Anatoljewitsch Nawalny oder der ehemaligen indischen Premierministerin Golda Meir. Bilder im Kleinformat von Ute Retter gab es im Atelier FreiStil, im Röhm die „Vier zappelnden Waschmaschinen“ von Martin Stiefel. Bei der experimentellen Klang-Performance boten die Haushaltsgeräte, die an Stahlfedern von der Decke hingen, im Schleudergang ein nahezu infernalisches Schau- und Hörspiel. In der Stadtkirche wurde der 2015 verstorbene Schorndorfer Kunstschaffende, Pädagoge und Kommunalpolitiker Frieder Stöckle mit Texten, Musik und Filmen porträtiert.

Die Schorndorfer Weiber verwöhnen die Gäste mit Flüssigem und Festem

Yvonne Neiheiser war mit einer großen Gruppe aus der Großstadt Stuttgart ins Remstal gekommen, um sich dem Kunstspektakel hinzugeben. „Wir waren vor vielen Jahren schon einmal da und ganz begeistert. Deshalb sind wir jetzt wieder da“, sagte sie beim Zwischenstopp in der Wasserwerkstatt im Röhm, wo die Schorndorfer Weiber bei Livemusik ihre Gäste mit flüssigen und festen Leckereien verwöhnten. Zu den gehaltvollen Kunstausstellungen gab für die unzähligen Besucher, die sich auch vom Regen nicht abhalten ließen, Speis und Trank an insgesamt rund 60 Stationen im Stadtgebiet, am Stadtrand, im Schock-Areal, im Röhm, in der Hammerschmiede und in Haubersbronn.

Tanja Fuchslocher machte es sich nur kurz in dem großen Saal der einstigen Gerberei gemütlich. Für gewöhnlich werden hier Veranstaltungen abgehalten, Hochzeiten und andere Ereignisse gefeiert. Seit Wochen hatte die Mitarbeiterin von Jürgen Groß, dem Besitzer der ehemaligen Lederfabrik, zusammen mit ihrem Chef und dessen Frau Andrea die Kunstnacht vorbereitet und war auch jetzt an allen Ecken gefordert. „Es werden sonst nicht alle Räume im Röhm regelmäßig genutzt, jetzt haben wir alle geputzt“, sagte Tanja Fuchslocher. Es sei eine Menge Staub gewesen, erzählte sie, aber die Arbeit machten alle gerne. „Es ist der schönste Tag im Jahr.“ Also präsentierten sich die 14 historischen Backsteingebäude auf dem weitläufigen Fabrikgelände, das Mitte des 19. Jahrhunderts an den Ufern der Rems gebaut wurde, perfekt in Szene gesetzt: mit Feuerschalen, Kerzenlicht und Lichterketten, die reizvolle Nischen und Ecken und die alte Brücke erleuchteten. Es habe sich eingebürgert, dass sich zum Ende der Kunstnacht viele Besucher und Künstler im Röhm zum Abschluss einfinden, sagte Tanja Fuchslocher.

Auch Gespräche über Frieden und Freiheit gehören zur Kunstnacht

Auch im Schock-Areal brannte lange Licht. Als die Kunstnacht zu Ende ging, hatten Dada und ihr Mann, der unter dem Künstlernamen Thitz weltbekannt ist und seine Tütenbilder ausstellte, viele schöne Gespräche über Frieden in der Welt, die Freiheit der Kunst und die Fantasie geführt.