Viel Eigenverantwortung, wenig Kontrolle – seit Monaten lernen Schülerinnen und Schüler wegen der Corona-Pandemie hauptsächlich zu Hause. Zwei Jugendliche berichten.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Rems-Mur-Kreis - Vor rund drei Monaten sind die Schulen im Land aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen worden. Anfang Mai kehrten die Abschlussklassen unter strengen Hygienevorschriften und mit eingeschränktem Stundenplan in den Präsenzunterricht zurück. Was bedeutet das für die Schülerinnen und Schüler? Zwei von ihnen berichten.

 

Jeder Lehrer macht es anders

Julia (alle Namen geändert) war seit dem 14. März nicht mehr in der Schule. Sie besucht die 10. Klasse eines Gymnasiums im Rems-Murr-Kreis. Dort habe man zu Beginn der Pandemie schnell eine Internetseite eingerichtet, von der sich die Schüler ihre Aufgaben in den einzelnen Fächern entsprechend ihres Stundenplans herunterladen können. „Manche Lehrer geben sehr viel vor, anderen ist es eher egal“, berichtet sie. Wenn Julia morgens um acht damit anfängt, die Aufgaben für den Tag zu bearbeiten, fehlen häufig noch Fächer: „Eigentlich sollten die Lehrer am Vortag alles ins Netz stellen, aber manche machen es erst nachmittags, einige auch überhaupt nicht. Jeder Lehrer macht es so, wie er will.“

Ähnliche Unterschiede gebe es bei den Korrekturen: Häufig erhielten die Jugendlichen in der folgenden Stunde die Lösungen, mit denen sie ihre Arbeit selbst überprüfen können, manchmal fehlen die richtigen Ergebnisse aber auch ganz. „Ich glaube, dass einige Lehrer einfach nur eine Bestätigung haben wollen, dass man was gemacht hat“, sagt Julia. Sie fotografiere ihre Aufgaben ab und schicke sie per Mail. Nur selten bekomme sie eine korrigierte Fassung zurück. „Ich mache viel selber, das ist schon eine Vorbereitung aufs Studium, hab ich das Gefühl. Ich suche mir dann manchmal selbst die passenden Seiten aus den Büchern, um mir etwas anzueignen“, sagt die Schülerin. Dabei sei es ihr eigentlich lieber, wenn die Lehrer mehr vorgeben und mehr rückmelden würden – „ich fühle mich dann sicherer.“

Ohne Unterricht fehlt die Struktur

In der Regel ist sie nach zwei Stunden mit ihrem Tagespensum fertig. Ihr jüngerer Bruder benötige mehr Zeit. „Ich habe den Eindruck, dass es bei ihm mehr Aufgaben gibt und er mehr an die Hand genommen wird.“ Dennoch fühlt sich Julia relativ gut auf die Jahrgangsstufe vorbereitet. In den Fächern, auf die sie ihren Schwerpunkt legen will, werde sie gut von den Lehrern betreut. „Und die 10. Klasse ist ja generell eher die Wiederholung der Mittelstufe. Ich hab mehr Sorgen, dass nächstes Jahr Stoff fehlt, wenn es eine zweite Welle gibt“, meint sie. Bis zu den Sommerferien wird sie noch ungefähr zehn Tage Präsenzunterricht haben. „Natürlich ist es schon entspannter ohne Klassenarbeiten und mit mehr Freizeit. Aber ich vermisse die Schule schon.“

Das geht auch David so. „Langsam wird es richtig öde“, sagt er. Dabei ist er vor gut einem Monat wieder in die Schule zurückgekehrt – allerdings hat er nur acht Stunden pro Woche. Auch er besucht ein Gymnasium im Rems-Murr-Kreis. David geht in die Jahrgangsstufe I und schreibt nächstes Jahr sein Abitur. Das Hygienekonzept an seiner Schule funktioniere sehr gut, alle hielten sich daran. Insgesamt fühlt er sich von seinen Lehrern gut begleitet, nur von einigen hätte er sich mehr Engagement gewünscht. „Manche Lehrer scheinen ein bisschen überfordert zu sein mit der Situation“, sagt David.

Klassenarbeiten sind freiwillig

Doch in seinen Leistungsfächern seien alle „voll hinterher“ gewesen und hätten ihren Schülern auch während des Home Schoolings viele Rückmeldungen und Korrekturen gegeben. Auch neuen Stoff habe er sich dank der Tipps und Musterlösungen gut erarbeiten können. „An manchen Tagen gab es extrem viele Aufgaben mit Deadlines, da musste man erst mal lernen, wie man sich das möglichst gut aufteilt“, erzählt David. Er selbst habe keine Probleme mit der Technik gehabt, aber für einige seiner Freunde sei es schwierig gewesen. Die hätten sich von der Schule dann ein Tablet geliehen.

Nach den Ferien wird David zwar wieder mehr Unterricht haben, doch immer noch weniger als normal. Die Jugendlichen können dann auch entscheiden, ob sie in einzelnen Fächern noch Klassenarbeiten schreiben möchten – in der Hoffnung, ihre Noten zu verbessern. In Hinblick auf das Abitur macht sich David nur in Mathematik ein bisschen Sorgen: „Da fehlt mir die Tiefe, die ich durch das Üben in der Schule bekommen hätte“, meint er.

„Die Prüfungsinhalte der Abschlussprüfungen im nächsten Jahr werden wir vor dem Hintergrund der Corona-Krise pädagogisch angemessen an die Realität anpassen“, teilt das Kultusministerium mit. Zudem solle es für alle Klassenstufen in den Sommerferien spezifische Förderangebote auf freiwilliger Basis geben.