Auch Landespolitik setzt auf soziale Netzwerke. Wie – das erklärte der Sprecher der grün-roten Regierung, Rudi Hoogvliet, den beiden Schülern Fenja Klima und Thomas Siurkus.

Stuttgart - Fluch oder Segen: Auch die Politiker haben die sozialen Netzwerke entdeckt – und versuchen, das Netz für ihre ganz eigenen Zwecke dienstbar zu machen. Nicht immer mit Erfolg, wie die groß angekündigte Facebook-Party des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gezeigt hat. Der Andrang auf die Nobeldisco P1 fiel dann doch ziemlich mau aus. Gesehen wurden hauptsächlich die Abgesandten der Jungen Union.

 

Nicht nur Seehofer, auch die baden-württembergische Landesregierung nutzt Facebook & Co. Doch nicht, um Partys zu feiern, sondern um über ihre aktuelle Politik zu informieren. Regierungssprecher Rudi Hoogvliet, verantwortlich für die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, hält es für wichtig, dass die Regierung in den sozialen Netzwerken vertreten ist. Er twittert schon auch einmal selbst. Sein Online-Referat betreut unter anderem den Auftritt des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Netz und den YouTube-Channel der Landesregierung. Dort werden jede Woche kurze Interviews mit dem Ministerpräsidenten hochgeladen. Von der Präsenz auf den sozialen Netzwerken verspricht sich Hoogvliet mehr Bürgernähe – er sucht den Dialog mit der „Generation Facebook“. Sein Ziel: das politische Interesse bei jungen Wählern zu stärken.

Die Grünen, sagt Hoogvliet, seien die erste Partei, die das Internet und seine Möglichkeiten für sich entdeckte – und das mit Erfolg. Mit mehr als 30 000 Fans ist die Partei auf Facebook nach den Piraten die beliebteste deutsche Partei. Und die anderen Parteien? „Keine Partei braucht die Piraten, um aufs Internet aufmerksam zu werden,“ sagt Hoogvliet. Damit hat er Recht, den auch die restlichen Parteien lasse sich bei ihren Online-Auftritt keineswegs lumpen.

Soziale Netzwerke werden genutzt

Auch zum Wahlkampf werden die sozialen Netzwerke von Parteien und ihren Spitzenkandidaten eifrig genutzt. In Nordrhein-Westfalen starte der Landesverband der SPD eine Kampagne auf Facebook, bei der die Fans über das Motto des SPD-Wahlkampfes in NRW abstimmen konnten. Werden solche Aktionen auch in Baden-Württemberg zu erwarten sein? „Dass müssen Sie bei den Parteien abfragen“, sagt Regierungssprecher Hoogvliet. Auf jeden Fall könne das keine Angelegenheit der Landesregierung sein. Er sieht in den Sozialen Netzwerken auch in Zukunft nur ein weiteres, aber wichtiges Mittel zur Kommunikation mit den Bürgern. Hoogvliet beobachtet, dass die Deutschen als Nachrichtenquellen im Gegensatz zu anderen Ländern immer noch bevorzugt klassische Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen bevorzugen. In Amerika sehe das ganz anders aus. Dort lösten die soziale Netzwerke mehr und mehr die altbewährten Medien ab. Das sei auf Dauer von Nachteil, sagt Hoogvliet, denn die Presse sei mit ihrer unabhängigen Berichterstattung ein wichtiges Standbein der Demokratie.

Dass die sozialen Netzwerke die Presse in Deutschland vorerst nicht ablösen werden, liegt Hoogvliets Meinung nach vor allem an der „noch immer guten und intakten Presselandschaft“. Hoogvliet schätzt die Zeitungen auch als Frühwarnsystem. Verdichten sich dort die Berichte über ein bestimmtes Thema, so erkennt er: Vorsicht, das wird wichtig.

Keine gute Meinung zu Seehofers Facebook-Party

Das ist aber kein Grund, die soziale Netzwerke beiseite zu schieben. Siehe Stuttgart 21: Als im Schlossgarten angeblich die falschen Bäume gefällt wurden, wurde das schnell auf Twitter publik. Die Landesregierung bekam das mit und konnte schnell reagieren. Doch es gibt auch eine Schattenseite, wie der Ex-Ministerialdirektor des Wirtschaftsministeriums, Daniel Rousta, zu spüren bekam. Auf seiner Facebookseite äußerte er sich beleidigend über die FDP, was ihn sein Amt kostete. Dass die Gefahr zu unüberlegten Äußerungen im Internet größer ist, bestätigt auch Hoogvliet: „Im Internet ist die Hemmschwelle niedriger, und jeder versucht, lustiger zu sein als die anderen; jeder will mit provokanten Bemerkungen glänzen.“

Auch zu der Facebook-Party von Seehofer fällt Hoogvliets Meinung nicht besonders positiv aus. Er bezeichnet die Aktion als „populistisch“, da der Bayer als nicht sehr internetaktiver Mensch gelte. Doch obwohl die Facebook-Party Seehofers floppte, brachte die Aktion nicht nur Nachteile für den CSU-Mann. Nach Ankündigung der Party auf Facebook stieg die Zahl seiner Fans im sozialen Netzwerk innerhalb weniger Tage in luftige Höhen. Damit rückte er mit über 14 000 Fans auf Platz sieben der beliebtesten deutschen Politiker auf Facebook vor.

Die besonderen Prioritäten

Jeder Klick zählt, mögen die CSU-Stratgen meinen. Doch nicht für jeden Politiker ist Quote immer und in allem das Wichtigste. Winfried Kretschmann zum Beispiel setzt gerne auch einmal andere Prioritäten. Neulich zum Beispiel. Da hatte doch tatsächlich eine Einladung zu Günther Jauch ins Fernsehen erhalten. Millionen Zuschauer warteten auf ihn. Doch der Regierungschef sagte ab. Stattdessen blieb er bei der schon zugesagten Fastenpredigt in einer Dorfkirche. Damit verzichtete er auf den Auftritt vor einem Millionenpublikum.

Doch diese Enthaltsamkeit in Sachen Fernsehen ist kein Zeichen dafür, dass sich die Landesregierung in Zukunft gegen moderne Entwicklungen im Internet sperren will. Im Gegenteil: Um den Jahreswechsel geht eine neue Homepage der grün-roten Regierung online. Diese will durch Umfragen und viel Dialog die Menschen für ihre Politik einnehmen. Die Besucher der Regierungsseiten sollen eigene Vorschläge zu konkreten Projekten der grün-roten Koalition vorlegen können.

Trotz aller Offenheit für die neuen Möglichkeiten der sozialen Netzwerke ist nicht jeder der geborene Twitterer. „Das muss man auch respektieren“, sagt Hoogvliet. Seiner Meinung nach sollte sich kein Politiker verpflichtet fühlen, zu twittern, der sich damit nicht identifizieren kann. Das wirke sowieso nur gekünstelt und wenig authentisch. Zu den Nicht-Twitterern, verrät Hoogvliet, zählt unter anderem auch Ministerpräsident Kretschmann.