Wegen des massiven Schülerrückgangs bei Angeboten des Zweiten Bildungsweges schlägt die Stuttgarter Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer eine Zusammenlegung der Technischen Oberschule mit der gewerblichen Hoppenlauschule vor.

Stuttgart - Die Technische Oberschule (TO) an der Hohenheimer Straße – die einzige eigenständige Berufsoberschule in Baden-Württemberg – wird voraussichtlich zum Ende dieses Schuljahrs ihre Eigenständigkeit verlieren. Grund ist ein massiver Einbruch der Schülerzahlen – „die haben sich in den vergangenen drei, vier Jahren halbiert“, berichtet der kommissarische Schulleiter Wolfram Kurtz. Es gebe immer weniger Interessenten, die nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung noch in Vollzeit Mittlere Reife, Fachhochschulreife oder Abi machen wollen – nicht nur in Stuttgart.

 

Der Zweite Bildungsweg liegt offensichtlich nicht mehr im Trend. Nur noch 200 Schüler zählt die TO. Um eigenständig zu bleiben, müssten es aber mindestens 360 sein. Deshalb schlägt Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer dem Gemeinderat vor, die TO mit der Hoppenlauschule im Stuttgarter Westen zusammenzulegen – einer reinen Berufsschule im dualen System mit derzeit 1555 Schülern. Der vorläufige Name würde dann „Gewerbliche Schule im Hoppenlau mit Technischer Oberschule“ heißen.

Beide Schulen kooperieren bereits und sehen diese Entwicklung positiv. Es ist daher zu erwarten, dass der Gemeinderat dem Vorschlag folgt, der aus dem Ergebnis zahlreicher Prüfaufträge und Gespräche entwickelt wurde. Bereits 2014 hatte er grundsätzlich beschlossen, die beruflichen Schulen zu Kompetenzzentren neu zu bündeln und somit auf Konjunkturveränderungen sowie einen Raumüberhang von insgesamt mehr als zehn Prozent zu reagieren.

Nach einer Fusion steht noch nicht fest, ob die Schulen einen Neubau bekommen

Räumlich und vom Bildungsangebot her würde sich an den beiden Schulen zunächst nichts ändern – nur die Organisationsstruktur. Noch stehe nicht fest, ob die sanierungsbedürftige Hoppenlauschule umstrukturiert und saniert wird oder ob die fusionierten Schulen einen Neubau bekommen, etwa beim beruflichen Schulzentrum an den Wagenhallen oder in Feuerbach, sagt Karin Korn, die Chefin des Schulverwaltungsamts. „Wir würden gern den Standort Hohenheimer Straße als Außenstelle einrichten.“

Den Begriff „Außenstelle“ hört Wolfram Kurtz nicht gern, auch das Wort „Auflösung“ der TO lehnt er ab, er spricht lieber von „einer Schule an zwei Standorten“. Die Kollegien müssten erst einmal zusammenwachsen. „Unser Ziel ist, dass wir als neue Schule zukunftsfähig sind.“ Den Rückgang der Schülerzahlen führt Kurtz darauf zurück, dass immer weniger junge Menschen eine Lehre machen wollen – und somit auch die Basis dafür wegbricht, dass Leute nach dem Berufsabschluss einen höheren Bildungsabschluss anstreben. „Früher war die Nachfrage so groß, dass wir noch auswählen konnten“, berichtet er. Inzwischen machten immer mehr ihr Abi auf dem ersten Bildungsweg. Doch das Kollegium an der TO sei nach wie vor „sehr motiviert“.

Auch die 1926 gegründete Hoppenlauschule – die älteste und zudem reine Berufsschule in Stuttgart – musste mit einem Schülerrückgang kämpfen. „Heute wollen nur noch ganz wenige Menschen Bäcker werden“, sagt Schulleiter Gerald Machner. Auch die Fleischerberufe hätten „zehn Jahre Sinkflug hinter sich“. Die Zeiten, als jedes Jahr bis zu 300 junge Leute eine Lehre als Bäcker oder Fleischer angefangen hätten und die Hoppenlauschule je zehn Eingangsklassen gebildet habe, seien vorbei. „Die Schule war wenig entwicklungsfähig, obwohl wir vom Halm bis zum Teller alle Nahrungsberufe haben“, berichtet Machner. Dazu gehören auch Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe und zudem Schönheitsberufe wie Kosmetikerin oder Friseur. In den vergangenen Jahren sei es gelungen, die Schülerzahl von 1200 im Jahr 2013 auf aktuell 1555 zu steigern: 1400 Berufsschüler und 50 Meisterschüler – Konditoren und Müller.

„Wir haben 2014 als erste berufliche Schule in Stuttgart sogenannte Vabo-Klassen für Leute ohne Deutschkenntnisse eingerichtet – das war noch vor der Flüchtlingswelle“, so Machner. Man habe 80 Prozent von ihnen im ersten Jahr in eine Ausbildung vermittelt, wegen ihrer Deutschdefizite kämen sie anschließend in eine Integrationsklasse – mit zwei Berufsschultagen pro Woche statt nur einem. „Die lernen Deutsch in den Backstuben, Wurstküchen und Zerlegeräumen“, sagt Machner. Den Theorie-Unterricht erhalten sie gemeinsam. „Durch die Integrationsklassen konnten wir die Ausbildungszahlen bei Bäckern und Fleischern wieder verdoppeln.“

Bundespräsident Steinmeier will die Hoppenlauschule besuchen

Inzwischen besuchten jedes Jahr 60 Flüchtlinge die Vabo-Klassen – „die machen große Fortschritte“, sagt Machner. Am 4. Juli will sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein Bild machen, wie die Hoppenlauschule es schafft, Flüchtlinge in der Vabo-Klasse und der Integrationsklasse für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen.

Unterdessen verspricht sich Machner viel von einer Fusion. „Unsere Schüler wollen sich auch weiterbilden“, sagt er – „das Berufskolleg für Gestaltung an der TO ist für unsere Konditoren, Friseure und Kosmetikerinnen sehr attraktiv“. Somit könnten diese später die FH-Reife erwerben. Beide Schulen kooperieren bereits. Eine Vabo-Klasse kommt einen Tag in die Backstube der Hoppenlauschule und vier Tage an die TO. „Wir glauben“, sagt Machner, „dass beide Schulen von einer Fusion profitieren“. Am 4. Juli berät der Schulbeirat, am 13. Juli entscheidet der Gemeinderat.