Matthias Holtmann und Friederike Jenk führen in der Stadthalle das Publikum durch eine besondere Matinee.

Leonberg - Es muss Mitternacht sein, wenn Paolo Fazioli mit einem kleinen Hammer in den Wald geht. Der Chef eines renommierten oberitalienischen Klavierbauunternehmens klopft in der Finsternis gegen verschiedene Baumstämme, um herauszuhören, welches Holz für seine langen Flügel geeignet ist.

 

Diese unorthodoxe Art der Materialsichtung ist nur eine von vielen erstaunlichen Geschichten, die das Publikum am Sonntagmorgen in der Stadthalle zu hören bekommt. Die Schützengilde Höfingen hat zu der besonderen Matinee „Lass Blumen sprechen und singen“ eingeladen. Hinter diesem auf den ersten Blick etwas ungewöhnlichen Motto verbirgt sich ein fürwahr buntes Programm, mit dem der wunderbaren Welt der Pflanzen gehuldigt wird, musikalisch wie inhaltlich.

Aus der Not wird eine Tugend

Schon seit einiger Zeit veranstaltet die Schützengilde keine klassischen Sommerfeste mehr. Das Vereinsheim im Glemstal ist durch Steinschlag von einer nahen Felswand gefährdet und muss sozusagen verschoben werden, um aus der Schusslinie zu geraten. Große Publikumsveranstaltungen sind dort bis dahin nicht möglich.

Der Vorsitzende Reinhold Stahl macht aus der Not eine Tugend, setzt auf Kultur und engagiert Künstler, die einen Bezug zu Leonberg haben. Wie Matthias Holtmann zum Beispiel. Der langjährige SWR-Moderator und geistiger Vater des Erfolgsformats „Pop und Poesie“ lebt in Gebersheim und bekennt sich zu seiner Wahlheimat in Form von künstlerischem Engagement. Zum Beispiel mit der Moderation einer musikalisch-floralen Sonntagsmatinee.

Der ehemaliger Schlagzeuger der legendären deutschen Rockband Triumvirat bringt eine hervorragende Band in die Stadthalle mit, zu der der Leonberger Pianist Randy Lee Kay und die Hornistin und Sängerin Pia-Sophie Stahl gehören, die Tochter des Chefs der Schützengilde. Um das Floral-Fachliche kümmert sich Friederike Jenk, eine Naturliebhaberin, die in Rutesheim ein Blumengeschäft betreibt.

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Bäume kommunizieren miteinander

Alle Lieder haben natürlich mit Blumen oder Pflanzen zu tun, sei es der im besten Western-Stil vorgetragene Südstaaten-Song „Yellow Rose of Texas“ oder das immergrüne Chanson „La vie en rose“ der unvergessenen Edith Piaf. Bei ihrem Quasi-Heimspiel, sie ist mittlerweile Musiklehrerin in Backnang, beweist Pia Stahl ihre Qualität bei zwei gänzlich unterschiedlichen Liedern. Einerseits die krachende Interpretation von Trude Herrs Gassenhauer „Ich will keine Schokolade“ aus den Sechzigern, bei dem die zierliche Sängerin so richtig abgeht. Andererseits die glasklare Darbietung des Heiderösleins, eines der bekanntesten deutschen Volkslieder. Im Saal ist es dabei mucksmäuschenstill.

Zwischendurch bittet Matthias Holtmann immer wieder Friederike Jenk auf die Bühne. Die Floristin erzählt von den Schönheiten der Jahreszeiten, von denen der Herbst mit seiner bunten Vielfalt wohl die reizvollste ist. Sie erzählt den erstaunten Zuhörern, dass Bäume miteinander kommunizieren, und zwar über die Wurzeln. Wenn sie zerstört sind, gibt es keine Verbindung mehr. Der Baum stirbt.

Bäume haben ein Gesicht

Überhaupt: Bäume und Wald – ein unendlicher Stoff für Geschichten und Mythen. Ohne jedes menschliche Zutun wachsen die Bäume in die Höhe und überdauern so manchen Bau. Dass Baumgeister im Wald zu finden sind, ist für Friederike Jenk keine Frage: „Sie müssen nur richtig hinschauen, dann entdecken Sie Augen, Mund und Nase.“ Dass sie dem Publikum dringend rät, mit den eigenen Zimmerpflanzen zu sprechen, verwundert da nicht.

Die Blumenexpertin berichtet aber auch von Rosen, die direkt als Sondermüll entsorgt werden müssten. Sie stammen zumeist aus Kenia und sind mit purer Chemie gespritzt: „Da geht es nur um Profit.“

Nur Holtmanns Frage, warum der Mörder immer der Gärtner ist, kann sie nicht beantworten. Wobei große Heckenscheren durchaus als Mordinstrumente taugen.

Den musikalischen Höhepunkt liefert die Band mit einer Rock’n’Roll-Version des Alpen-Hits „Du bist die Rose vom Wörthersee“. Das Publikum ist begeistert.