Wieso hebt man das Abstandsgebot auf? Müssen die Kinder Masken tragen? Sind denn genug Lehrer da für diesen Plan? Fragen und Antworten zum Krisen-Konzept für das Schuljahr in Baden-Württemberg.

Stuttgart - Nach wochenlangem Lockdown kehren die 4500 Schulen im Land Schritt für Schritt zurück zur Normalität. Aber ganz so wie früher wird der Unterricht auch nach den Sommerferien nicht werden. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erläuterte am Mittwoch ihren Plan für die Schulen im Land.

 

Wie sieht der Schulalltag ab September grundsätzlich aus?

Die Schüler sollen wieder vor allem im Klassenzimmer lernen statt am heimischen Küchentisch - Präsenzunterricht soll die Regel sein. Eisenmann spricht von einem „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“. „Wir streben so viel Präsenz an wie möglich“, betonte sie. Das Abstandsgebot soll - wie bereits jetzt an Grundschulen und Kitas - dann auch an den weiterführenden Schulen entfallen.

Wieso hebt man das Abstandsgebot auf?

Weil man, wenn die Schüler eine Distanz von 1,5 Metern wahren sollen, zu viel Platz bräuchte und nicht alle Kinder gleichzeitig unterrichten könnte. Für die kleineren Gruppen bräuchte man auch mehr Lehrer. Deshalb müsse für Regelunterricht das Abstandsgebot fallen, sagte Eisenmann.

Und was ist mit der Infektionsgefahr?

Der versucht man an anderen Fronten zu begegnen. Der Unterricht soll in möglichst festen und konstanten Gruppen ablaufen, sodass sich die Schüler möglichst wenig durchmischen. Die Schulen sollen sich auch ein Konzept für die Wegeführung überlegen, damit nicht alle Schüler gleichzeitig über die Gänge zu den Klassenzimmern und in die Schulhöfe laufen. Wer Kontakt zu einer infizierten Person hatte oder Symptome wie erhöhte Temperatur spürt, soll zuhause bleiben.

Müssen die Kinder Masken tragen?

Die grün-schwarze Landesregierung erwägt zudem eine Maskenpflicht für ältere Schüler. Zumindest im Unterricht könne sie sich aber keine Maskenpflicht vorstellen, sagt Eisenmann. Das Kultusministerium sei aber vorbereitet - und verfüge bereits über 27 Millionen Alltagsmasken und 800 000 FFP2-Masken.

Was wird sich im Schulalltag noch ändern?

Zum Start des Schuljahres sollen die Lehrer die Lernlücken ihrer Schüler analysieren, die durch Corona entstanden sind. Die Abschlussprüfungen schiebt man im nächsten Schuljahr um drei bis vier Wochen nach hinten, um Puffer zu haben für die Vorbereitungen. Mehrtägige außerschulische Veranstaltungen wie der Besuch im Schullandheim bleiben untersagt, auch auf Schüleraustausche und Studienreisen müssen die Schüler noch verzichten. Auch Singen in geschlossenen Räumen bleibt zunächst verboten.

Sind denn genug Lehrer da für diesen Plan?

Die CDU-Politikerin zeigte sich zuversichtlich mit Blick auf die Personallage. Seit Einführung der Attestpflicht würden wieder mehr Lehrer am Präsenzunterricht teilnehmen. Vorher hatten sich 20 Prozent zur Risikogruppe gezählt und waren der Schule ferngeblieben. Eisenmann warb am Mittwoch für freiwillige Testmöglichkeiten für alle Lehrer. Das wird heiß diskutiert in der grün-schwarzen Koalition.

Wie sieht die Lehrergewerkschaft das Konzept?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nennt Eisenmanns Plan „riskant und falsch“. Die Lehrer fühlten sich wie Versuchskaninchen der Landesregierung, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Es fehlten klare Zusagen, welche Schutzmaßnahmen für die 1,5 Millionen Schüler und 130 000 Lehrer zur Verfügung stünden. Moritz fordert Schutzmasken für alle Lehrer und zusätzliche Reinigungskräfte.

Und wenn das Virus zurückkehrt?

Darauf müsse man stets vorbereitet sein, sagt Eisenmann. Man werde damit rechnen müssen, dass immer wieder Schulstandorte oder Teile davon zeitweise geschlossen werden. Deshalb plane man auch weiterhin mit Fernunterricht. Dafür soll es nun verbindliche Leitlinien und Qualitätskriterien geben, sagte Eisenmann. Schüler, die über keine digitale Ausstattung verfügen, sollen diese von der Schule bekommen. Allein in Baden-Württemberg sei der Kauf von rund 300 000 Laptops geplant.

Muss mein Kind denn zur Schule gehen?

Nein. Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind am Präsenzunterricht teilnimmt, können dies der Schule formlos melden. Dann müssen die Kinder aus der Ferne mitlernen. Eine Attestpflicht für Schüler besteht nicht. Der grüne Koalitionspartner findet das nicht gut: „Dass Schülerinnen und Schüler ohne ärztliches Attest vom Präsenzunterricht befreit werden, halten wir für schwierig“, sagte die bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser. „Hier wünschen wir uns eine klare und nachvollziehbare Regelung, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung erfolgt.“