Eine anspruchsvolle Zeit liegt hinter Schülern und Lehrern. Seit drei Wochen arbeiten und lernen sie zuhause. Auch der Weil der Städter Schulleiter Rolf Bayer musste viel umorganisieren.

Weil der Stadt - Völliges Neuland mussten Schüler und Lehrer am Johannes-Kepler-Gymnasium nicht betreten, als sie vor drei Wochen ganz plötzlich ins Homeoffice geschickt wurde. Der Physiker und Informatiker treibt die Digitalisierung seiner Schule schon lange voran. Seit zehn Jahren gibt es am JKG schon eine Lernplattform. Dennoch waren die drei Wochen eine Herausforderung.

 

Herr Bayer, haben Sie sich schon an das leere Schulhaus gewöhnt?

Die Atmosphäre erinnert mich an die letzte Woche der Sommerferien. Es ist ein Kommen und Gehen von Lehrkräften, die zum Beispiel Materialien besorgen oder einen Chemie-Versuch filmen, um ihn den Schülerinnen und Schülern zukommen zu lassen. Gestern war ein Kollege in den Physiksälen und hat nach den 3-D-Druckern gesehen. Das Sekretariat ist besetzt, die Hausmeister sind da, ich bin da. Das Schulhaus ist nicht leer – aber die Schüler fehlen natürlich.

Welches Fazit ziehen Sie nach drei Wochen Fernunterricht?

Das Wort, das am ehesten passt, lautet: Herausforderung. Und zwar für alle Beteiligten. Ich muss zugeben, als ich von den Schulschließungen zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: Endlich komme ich zu Dingen, die schon lange liegen geblieben sind. Aber das Gegenteil war für meine Kollegen und mich der Fall.

Was mussten Sie als Schulleiter stemmen?

Alle organisatorischen Dinge liefen ja weiter – etwa die Lehrerversorgung oder die Anmeldungen der Fünftklässler. Aber weil die Kollegen jetzt alle im Homeoffice sind, erschwert das die Organisation enorm. Der kurze Gang ins Lehrerzimmer ist einfach schneller als Mails und Telefonate. Zusätzlich mussten wir in kürzester Zeit den kompletten Unterricht digitalisieren.

Manche meinen ja, für Lehrer war das jetzt drei Wochen bezahlter Urlaub.

Ich habe mich mehr als einmal genötigt gefühlt zu sagen: Liebe Lehrkräfte, bitte arbeitet auch in dieser Situation nicht mehr als 41 Stunden in der Woche. Wenn man genau das Gleiche macht, aber doch auf ganz andere Art, ist es wirklich mehr Arbeit. Sie können nicht einfach ein Arbeitsblatt ins Internet stellen. Wenn Sie keinen persönlichen Kontakt haben, müssen Sie das alles ganz anders erklären.

Kann man den kompletten Unterricht überhaupt ins Internet verlagern?

Wir Lehrkräfte haben ja nie wirklich gelernt zu unterrichten, ohne unsere Schülerinnen und Schüler persönlich zu sehen. Wir sind es gewohnt, die Kinder vor uns zu haben und kurz zu fragen: Hast Du es verstanden? Schon dieser banale Kontakt fiel jetzt weg.

Es gibt ja viele Möglichkeiten zum Fernunterricht: Man stellt Arbeitsmaterialien auf die Schul-Homepage, man verschickt Aufgaben per Mail, man nutzt die Briefpost oder Video-Konferenzen. Entscheidet bei Ihnen jeder Lehrer selbst, was er nutzt?

Nein. Seit mehr als zehn Jahren schon nutzen wir die Lernplattform „Moodle“ an unserer Schule für die Oberstufe. Dies haben wir erweitert für alle Klassen. Unser Ziel war es, über diese Plattform den Stundenplan nachzubilden. Wenn die Kinder also einem Tag Mathematik, Deutsch und Kunst gehabt hätten, haben unsere Lehrkräfte an diesem Tag Aufgaben in Mathe, Deutsch und Kunst auf der Plattform eingestellt.

Was ist mit Unterricht per Video-Konferenz, von dem jetzt zum Teil zu lesen ist?

Ausprobiert haben wir schon einiges. Der Video-Unterricht hat sich in der Testphase aber als nicht wirklich praktisch herausgestellt. Die Verbindung bricht oft ab, Teilnehmer fliegen raus oder es rauscht – da kann sich keiner konzentrieren.

Wie halten Lehrer denn den Draht zu den Schülern?

Über Moodle gibt es verschiedene Rückmeldefunktionen in beide Richtungen. Zudem läuft die Kommunikation aus Moodle heraus über Mail. Nicht zuletzt gibt es das Telefon, das zumindest eine persönlichere Verbindung herstellt.

Konnten Lehrer per Fernunterricht wirklich neuen Stoff einführen, oder ging es doch eher um Wiederholung und Vertiefung?

Sowohl als auch. Wir haben auch neue Themen eingeführt. Das hängt aber natürlich von der Klassenstufe ab und von den Materialien, die wir zur Verfügung haben. Ich muss eine Lanze brechen für die Schulbücher – die sind heute zum Teil wirklich gut, sodass Schülerinnen und Schüler damit selbstständig arbeiten können. Aber der direkte, persönliche Unterricht ist durch nichts zu ersetzen.

Rächt sich jetzt, dass die Digitalisierung der Schulen nicht schon längst weiter vorangetrieben wurde?

Ja, und zwar auf allen Ebenen. Schauen Sie nur mal auf die Homepage des Kultusministeriums: Die Anweisungen zu den Schulschließungen sind Papier-Dokumente, die jemand eingescannt hat. Von Digitalisierung kann man da noch gar nicht reden. Auch die Internetverbindungen hier in der Region sind höchst unterschiedlich. Teilweise haben die Kinder und Jugendlichen schon beim Hoch- und Runterladen von Dateien große Probleme.

Haben die Schüler überhaupt ausreichend Zugang zu Hardware?

Manche Familien haben nur einen Computer zuhause. Und wenn die Eltern Homeoffice machen, ist dieser Computer eben belegt. Wir können keiner Familie zumuten, sich extra einen neuen Computer zuzulegen. Deshalb haben wir angeboten, die Laptops der Schule auszuleihen. Unter den Eltern gab es auch eine Art Tauschring für Smartphones, damit die Kinder alle ausgestattet sind.

Für die Eltern ist Homeschooling anstrengend und belastet – vor allem, wenn sie sich im Homeoffice eigentlich auf die eigene Arbeit konzentrieren müssten. Mussten Sie sich viel Kritik anhören?

Nein gar nicht, es gab sehr viele positive Rückmeldungen von Eltern. Natürlich wurden auch kritische Punkte angemerkt, aber immer sehr freundlich und nur konstruktiv, sodass wir daraus lernen und uns verbessern konnten. Dass die Eltern das in den letzten drei Wochen so toll mitgetragen haben, ist super.

Wie geht es den Abiturienten? Nach Ostern hätten sie die Prüfungen ablegen sollen. Stand jetzt ist das im Mai geplant.

In allen Fächern war der Stoff für das Abitur bei uns schon vor der Schulschließung komplett behandelt. Es ging jetzt nur noch ums Üben fürs schriftliche Abitur, und das fand jetzt eben zuhause statt. Unsere Schülerinnen und Schüler sind top auf die Prüfungen vorbereitet – da mache ich mir am wenigsten Sorgen. Aber klar ist die Situation für sie psychisch belastend. Deshalb haben meine Kollegen und ich die Abiturienten alle angerufen.

Nehmen Sie was mit aus dieser Zeit?

Es war eine riesige Herausforderung. Wir haben ein super Kollegium, das zusammengearbeitet hat, das schweißt uns zusammen. Und falls mal wieder Unterricht ausfallen sollte, können wir ganz bequem auf diese Erfahrungen zurückgreifen.