Schmutzige Toiletten – seit Jahren ein Dauerthema an vielen Schulen in Deutschland. Schülern und Eltern reicht es. Sie machen wie in Frankfurt und Laupheim mobil gegen den Hygiene-Notstand auf Schulklos.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Es gibt sie tatsächlich in Deutschland: No-Go-Areas, Gegenden, wo keiner hin will, weil der Aufenthalt der Gesundheit und dem Wohlbefinden abträglich sein könnte. Gemeint sind – Schultoiletten. Verdreckte stille Örtchen, an denen die Klos mit Toilettenpapier und anderem verstopft sind, die Wände vollgeschmiert, die Klobrillen – wenn überhaupt vorhanden – beschädigt, die Waschbecken und Armaturen verkalkt, die Urinale übergelaufen, die Fliesen nass und verschmiert sind. Und es stinkt zum Himmel. Alltag an vielen Schulen.

 

Ekel, Frust und Ärger

„Man riecht sie schon von weitem. Meine Tochter vermeidet es, innerhalb der Schulzeit auf die Toilette zu gehen“, sagt eine Mutter aus dem brandenburgischen Nauen. „Manche Toiletten sind so alt und versifft, da hilft auch das tägliche Putzen nicht. Den Gestank nach Urin und Fäkalien kriegt man da einfach nicht mehr raus“, betont der Bildungsexperte Wolfgang Seelbach. „Wenn Kinder der ersten und zweiten Klasse sich vor Ekel nicht mehr aufs Klo trauen und Gefahr laufen, sich einzunässen, ist die morgendliche Freude, zur Schule zu gehen, schnell vorbei.“

Kinder, die sich ekeln, Eltern, die besorgt, Lehrer, die genervt, Elternbeiräte, die empört sind. In Frankfurt am Main sorgt eine Aktion bundesweit für Furore. Eine Online-Petition des Stadtelternbeirats und des „StadtschülerInnenrats“ „für ausreichend saubere und sanierte Toiletten in jeder Schule“ wurde bisher von 5715 Personen unterzeichnet. „Es ist der Dauerbrenner an allen Frankfurter Schulen: zu wenig Toiletten, stinkende, verdreckte, veraltete und kaputte Toiletten, schlecht gereinigte Toiletten“, heißt es in der Petition.

„Schultoiletten – ein Albtraum!“

Flankiert wird das Bürgerbegehren von zwei YouTube-Videos mit dem Titel „Schultoiletten – ein Albtraum!“ In ihnen ist ein Schüler zu sehen, der sich nur noch mit Atemschutzmaske und Gummihandschuhen bewaffnet auf das stille Örtchen wagt.

Notfallplan in Frankfurt

Auf Druck der Eltern und Schüler hat der Magistrat der Stadt jetzt ein Sanierungsprogramm beschlossen. Bis 2021 werden fünf Millionen Euro für „eines der drängendsten Probleme in der Frankfurter Schullandschaft“ bereitgestellt, erklärt die Bildungsdezernentin Sylvia Weber.

Die Main-Metropole ist kein Einzelfall. Laut einer Umfrage der German Toilet Organization, einer gemeinnützigen Organisation in Berlin, meiden rund 70 Prozent der Schüler in der Hauptstadt die Toiletten. In einer Umfrage von Stern TV gaben 50,7 Prozent der Eltern an, dass ihr Kind den Gang aufs Schul-Klo nach Möglichkeit vermeide. 12,3 Prozent erklärten, das ihr Sprössling nie auf das Schul-WC gehe.

Land unter in Laupheim

In Laupheim (Landkreis Biberach) haben die Schülervertreter der Friedrich-Adler-Realschule eine Unterschriftenaktion gestartet. Mehr als 2000 am Schulleben Beteiligte unterzeichneten die Forderung an die Stadt, die Sanitäranlagen endlich zu sanieren. Manche Klos „stinken, egal wie man sie putzt“, berichten die Schülersprecher Moritz Mangold und Liv Reinalter. Seifenspender funktionierten nicht, es gebe kein warmes Wasser, WC-Brillen seien kaputt.

Erste Fortschritte

Aber es tut sich was im Schul-Toiletten-Entwicklungsland Deutschland. So hat Nordrhein-Westfalen das mit zwei Milliarden Euro ausgestattete Förderprojekt „Gute Schule 2020“ initiiert. Viele Schulen bauen allerdings mit den Landeszuschüssen nicht die Klassenräume um, sondern stecken sie in den Umbau ihrer Schulklos.

So investiert die Stadt Essen 6,5 Millionen Euro in die Sanierung und den Neubau der Schul-Toiletten. Neuss ist mit 2,1 Millionen Euro, Bonn mit 750 000 Euro und Mönchengladbach mit 500 000 Euro dabei.

Schüler-Vandalismus – auch das gibt es

Wer ist verantwortlich für den Schlamassel? Die Bildungsministerien verweisen auf die Kommunen und Schulträger, die für die stillen Örtchen zuständig seien. Zum Teil ist der Ärger auch hausgemacht – von den Schülern. Vandalismus sei mitunter ein Problem, vor allem an Schulen mit schwieriger Klientel, sagt Wolfgang Seelbach.

„Dann wird auch zu ganz unkonventionellen Mitteln gegriffen“, berichtet der brandenburgische Landesschülersprecher Maurice Heilmann. So sei es an einzelnen Schulen üblich, dass die Toiletten von den Lehrern abgeschlossen und nur bei Bedarf geöffnet oder auch beaufsichtigt werden. So muss man sich an zwei Schulen im nordrhein-westfälischen Schwerte den Schlüssel im Sekretariat abholen.

Schüler putzen selber

In Potsdam greifen die Schüler einer Waldorfschule selber zu Bürste und Putzlappen. „Nachdem die Putzfee unserer Schule in Rente ging, wurde eine Schülerputzfirma gegründet. Etwa 15 bis 20 Schüler arbeiten dort“, berichtet Lehrerin Anne Mcdonough. Die Jobs bei den „Putzdamen“ seien begehrt und selbst das Kloputzen mache den Schülern nichts aus. Schließlich würden dafür auch zehn Euro pro Stunde gezahlt – zwei Euro mehr als für die anderen Putzjobs. Die Toiletten sind völlig in Ordnung und wenn mal Beschwerden kommen, sind die Probleme schnell behoben“, berichtet McDonough.

Online-Tipps

Gemeinsam hat eine Gruppe von Schülern, Eltern, Lehrern, Planern, Hausmeistern und Reinigungskräften das private Online-Projekt www.schulklo.de ins Leben gerufen. „Die Schulklosanierungen stehen immer wieder auf Rang ein bis drei bei Gesprächen und Petitionen“, heißt es auf der Webseite. Unter dem Motto „Fieses Schulklo? Ihr könnt etwas tun!“ werden Tipps für die Sanierung und Gestaltung von Toiletten gegeben, Projekte vorgestellt und Lösungen vorgeschlagen.