Das Sozialarbeiterin Lierin Hanika kümmert sich im Projekt Oktopus der Caritas in Ditzingen und Umgebung um Schulverweigerer. Seit den Lockdowns in der Coronazeit sei ihre Zahl stark angestiegen, sagt sie.

Verschwörerisch zwinkert er auf dem Flyer der Zielgruppe schulvermeidender Schüler zu, der rosafarbene Oktopus mit der blauen Schirmmütze: „Sei schlau, mach nicht blau!“, empfiehlt der Tintenfisch. „Der Oktopus hat mehrere Herzen und Gehirne, acht Fangarme, und er ist sehr intelligent“, sagt die Sozialarbeiterin Lierin Hanika. Deshalb wurde das Projekt der Caritas, das einstmals „Fallmanagement Schulverweigerung“ geheißen hatte, in „Projekt Oktopus“ umbenannt. Mit dem Tintenfisch-Logo kümmert sich die 28-Jährige mit drei Kolleginnen um Schulverweigerer im Landkreis Ludwigsburg, unter anderem in Ditzingen, Gerlingen Hemmingen und Korntal-Münchingen. „Bei den Klienten, mit denen wir es zu tun haben, geht das Fernbleiben über das reine Schulschwänzen hinaus“, sagt Lierin Hanika. Sie kümmert sich von Fünftklässlern bis 18-Jährigen um Schüler an allen Schulen außer an Gymnasien, hinter deren Fernbleiben im Unterricht „eine lange Leidensgeschichte“ stecke: „Die schaffen es oft nicht mehr aus eigenen Stücken an die Schule und sind psychisch sehr angeschlagen“, erzählt die Sozialpädagogin, die vor kurzem zu einer Jugendlichen gerufen wurde, die das Haus seit zwei Monaten nicht mehr verlassen hatte. Sie berichtet von Angststörungen, Zwangsstörungen und Depressionen.

 

Oft steckt eine lange Leidensgeschichte dahinter

Überforderung bei der Rückkehr in den Präsenzunterricht

Die Schulschließungen während der Coronazeit hätten die Zahl der Schulverweigerer stark ansteigen lassen, sagt Lierin Hanika. Corona habe zu großer Verunsicherung sowohl in Familien als auch an Schulen geführt, Lehrer seien mit dem Homeschooling oft überfordert gewesen. Insbesondere vorbelastete Jugendliche seien manchmal „aus dem Unterricht komplett ausgestiegen – und keiner hat es gemerkt“. Die Rückkehr in den Präsenzunterricht habe dann für einige dieser Schüler eine nicht mehr bewältigbare Überforderung dargestellt. Wobei weiteres Wegbleiben das Problem nur verschärft: „Mit jedem Tag, an dem jemand nicht die Schule besucht, wird das Problem größer.“ Das Projekt Oktopus der Caritas werde von Schulsozialarbeitern oft dann eingeschaltet, wenn sie selbst nicht mehr weiterkämen. Mittlerweile verwalten Lierin Hanika und ihre drei Kolleginnen, die alle in Teilzeit arbeiten, eine lange Warteliste zur Teilnahme an dem freiwilligen Projekt, an dessen Beginn erst einmal die „soziale Anamnese“ stehe: Zuhören und Verstehen seien wichtig, um herauszufinden, wer in der Familie hilfreich sein könnte auf dem schwierigen Weg zurück in die Schule: Der direkte Weg zurück in den Unterricht sei oft nicht machbar und deshalb nicht das vorrangige Ziel der Unterstützung. „Viele sind gar nicht in der Lage, in die Schule zu gehen“, sagt Lierin Hanika. In diesen Fällen ginge es zunächst darum, die körperliche und seelische Gesundheit der Jugendlichen wiederherzustellen.

„Du fühlst dich unwohl, sobald du nur an Schule denkst?“, heißt es in dem Flyer von Oktopus. „Mittlerweile haben wir mindestens doppelt so viele Anfragen, wie wir aufnehmen können“, sagt Lierin Hanika.