Dass 143 Schüler zum Halbjahr das Gymnasium verlassen konnten, ist ein Beleg für die Flexibilität des Schulsystems, aber auch für seine Systemfehler, findet Inge Jacobs.

Stuttgart - 143 Schüler haben zum Halbjahr das Gymnasium verlassen müssen. Oder dürfen, je nach Perspektive. Das ist ein gutes und ein schlechtes Signal. Gut, weil sich das Bildungswesen in Stuttgart flexibel gezeigt hat. Weil Stuttgarter Schulleiter von Gymnasien, Realschulen und Gemeinschaftsschulen, unterstützt von den Kultusbehörden, in einer gemeinschaftlichen Aktion für diese Kinder die Notbremse gezogen haben. Und jedem dieser Kinder einen neuen, hoffentlich passenderen Schulplatz besorgt haben. Gut, weil das diesen Kindern einen weiteren Leidensweg auf einer für sie nicht passenden Schulart erspart.

 

Nicht immer passen Kind und schulische Anforderungen zusammen

Aber dass es überhaupt so viele Schüler gibt, für die eine solche akute Maßnahme notwendig geworden ist, ist kein gutes Signal. Es zeigt, dass die regulären Steuerungssysteme nur unzureichend arbeiten. Der Hauptknackpunkt dabei ist, dass es fürs Gymnasium auf der einen Seite ziemlich klar definierte Leistungsanforderungen gibt, auf der anderen Seite aber eine freie Schulartwahl. Und Eltern, die offensichtlich nicht immer einschätzen können, ob Kind und schulische Anforderungen zusammenpassen. Und die wohl auch keine Vorstellung davon haben, was passiert, wenn nicht.

Ein gutes Signal wiederum ist, dass inzwischen viele Eltern die Beratungsgespräche an den Gymnasien nutzen. Es war richtig, die Vorlage der Grundschulempfehlung wieder verbindlich vorzuschreiben. Denn es scheint sich zu zeigen, dass seither noch mehr Eltern dazu bereit sind, die Expertise der Pädagogen ernstzunehmen. Auch wenn es sich noch nicht überall herumgesprochen hat: auch langsamere Wege können zum Abi führen.