Sie soll ein echter Hingucker sein, sich gut anfühlen – und den Verbraucher verführen: Verpackung. In unserer Warenwelt spielt sie eine immer größere Rolle. Im Sektor Verpackungsmaschinenbau ist Deutschland mittlerweile die Nummer eins.

Stuttgart - Die beste Verpackung liefert die Natur. Die Banane mit ihrer passgenauen Hülle entzieht sich dem Zeitgeist, denn praktisch alle Produkte unserer Warenwelt sind heute verpackt. Das hat ganz handfeste Gründe – weite Transportwege etwa und hohe Hygienestandards. In erster Linie ist Verpackung aber eine unverblümte Aufforderung: Kauf mich!

 

Am sogenannten Point of Sale, dem Zeitpunkt der Entscheidungsfindung des Verbrauchers, macht der Anbieter das Rennen, der am eindrücklichsten auf sich aufmerksam macht. Zugleich muss der Verbraucher von der Farbgebung auf das Image der Ware schließen können. Das Bioprodukt wirbt beispielsweise dezent mit natürlich wirkender, lebensechter Verpackung. Die Eiscreme soll da schon dicker – und bunter – auftragen, schließlich verspricht sie Sommer, Sonne und Spaß. Wenn nicht der Preis, sondern besonderer Geschmack die verkaufsentscheidende Rolle spielt, dürfen es schlichte, mit stark reduzierten Elementen bedruckte Hüllen sein. An all diesen Verführungen arbeiten kreative Produktdesigner unter Hochdruck.

Nicht nur die Optik entscheidet

Manche Süßigkeiten wie die berühmten Küsschen sind bereits so aufwendig verpackt, dass sie dem Schenkenden die Mühe des Einpackens abnehmen. Nicht nur die Optik entscheidet, heute muss die Hülle multisensorisch wirken: visuell, haptisch, akustisch. Welches Kind greift zur Bonbontüte, die nicht verheißungsvoll raschelt? Ihren Duft entfaltet sie meist erst beim Öffnen der Verpackung, zum Glück.Kindersichere und seniorengerechte Verpackungen, Produkte, die sich leicht öffnen und wieder verschließen lassen, solche mit Portionier- und Entnahmehilfe oder eingebauter Dosierung spielen eine immer größere Rolle in der schönen bunten Warenwelt. Auch die Zunahme an Singlehaushalten hat Einfluss auf die Verpackungsgestaltung: kleinere, teilbare Verpackungseinheiten sind die Folge. Und das bedeutet mehr Material, mehr Abfall, höhere Kosten.

Die meisten Verpackungen aber sieht der Kunde gar nicht. Es sind die Hüllen, die Produkte auf dem Weg zu ihm schützen sollen. Rechteckige, standardisierte Transportverpackungen nach Modulmaßen lasten den Container oder das Transportfahrzeug optimal aus. Hier gilt die Quadratur des Kreises – möglichst leicht und möglichst stabil sollen die Verpackungen sein, die in zunehmend automatisierten Lagern von Robotern an Ort und Stelle gebracht werden. Discounter verlangen effizientes Handling: Das Personal, das die Auslagen bestückt, kann Teile der Transportverpackung als Regalkarton nutzen – natürlich nur, wenn sie entsprechend gestaltet und dank Perforierung leicht zu öffnen sind. Warenvorschubsysteme lassen Schokoladentafeln automatisch immer weiter nach vorne rutschen. Wer hier einspart, spart viel Geld: 38 Prozent der direkten Produktkosten im Einzelhandel entfallen auf das Öffnen der Transportverpackung und das Platzieren im Verkaufsregal. Das ergab eine Studie des EHI Retail Institute Köln, ein wissenschaftliches Institut des Handels.

Über QR-Codes kann der Verbraucher mit dem Smartphone eine Fülle von Informationen abrufen

Weniger Verpackung bei gleichbleibendem Nutzen – das Kredo gilt für die gesamte Branche. Thomas Reiner vom Deutschen Verpackungsinstitut in Berlin nennt ein Beispiel: Die Getränkedose aus Aluminium ist heute um 26 Prozent leichter als noch im Jahr 1992, bei der Einweg-PET-Flasche ist der Materialeinsatz um 45 Prozent geringer als vor nicht einmal zehn Jahren. Doch die Diskussion über sinnvolle Nachhaltigkeitsstrategien ist komplexer geworden. Immer dünnere Folien sind sinnlos, wenn der Verbraucher das Sixpack Wasser nicht mehr vom Auto in die Wohnung tragen kann, ohne dass die Folie reißt. Oder wenn Kartons schon im Lager auseinanderfallen. Ein Ansatz ist die Verbindung von Verpackung und modernen Medien. Über QR-Codes, Bilderkennung und Barcodes kann der Verbraucherinzwischen mit dem Smartphone eine Fülle von Informationen abrufen. Hier finden beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebenen Inhaltsstoffe Platz. Darüber hinaus können Unternehmen über Herkunft, Ressourcenverbrauch und ökologischen Fußabdruck informieren.

Michael Braungart, Chemiker, Hochschulprofessor sowie Gründer und Leiter des Internationalen Umweltforschungsinstituts EPEA in Hamburg, geht das alles nicht weit genug. Der aus Schwäbisch Gmünd stammende Wissenschaftler hat zusammen mit William McDonough das sogenannte Cradle-to-Cradle-Prinzip (von der Wiege zur Wiege) entwickelt und darüber ein Buch veröffentlicht (deutsch: „Einfach intelligent produzieren“). Der Ökophilosoph sagt: Eine Welt ohne Abfall ist möglich. Er akzeptiert nur zwei Arten von Produkten: Verbrauchsgüter, die bedenkenlos weggeworfen werden können, weil sie biologisch abbaubar sind, und Gebrauchsgüter, die sich ohne Qualitätsverluste – also anders als bei bisherigen Recyclingverfahren – endlos wiederverwerten lassen.

In den USA hat Braungart inzwischen prominente Anhänger wie den Regisseur Steven Spielberg oder Schauspieler Brad Pitt. Hierzulande muss der Vordenker noch viel Überzeugungsarbeit leisten.