Unter seiner Leitung wurde der Lidl-Mutterkonzern zum größten Lebensmittelhändler Europas. Der Abschied kommt plötzlich - im Streit um eine Personalie. Doch ein Nachfolger steht bereit.

Neckarsulm - Ende einer Ära bei Europas größtem Lebensmittelhändler: Der Chef der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) Klaus Gehrig hat am Freitag überraschend sein Amt niedergelegt. Der Manager habe sich spontan zu dem Schritt entschlossen, da er sich bezüglich einer für ihn sehr wichtigen Personalie nicht mit dem 81-jährigen Inhaber Dieter Schwarz habe einigen können, teilte die Schwarz-Gruppe am Freitag mit.

 

Der 73 Jahre alte Gehrig ist in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Doch soll er als rechte Hand des Inhabers entscheidenden Anteil daran gehabt haben, dass das Unternehmen mit seinen Töchtern Lidl und Kaufland innerhalb von gut 40 Jahren von einem kleinen Einzelhändler mit gut 30 Geschäften zu einem Weltkonzern mit mehr als 12 500 Filialen in 33 Ländern und einem Umsatz von mehr als 113 Milliarden Euro heranwuchs. Gehrig machte Lidl nicht nur zum größten Konkurrenten von Discount-Erfinder Aldi, sondern auch zum größten Lebensmittelhändler Europas.

Umso ungewöhnlicher war, wie kurz und knapp der Konzern am Freitag die Trennung verkündete. Nur fünf Sätze reichten aus, die jahrzehntelange Partnerschaft zu beenden. „Klaus Gehrig ist nicht mehr Chef der Schwarz-Gruppe“, hieß es in der Mitteilung. Dieter Schwarz habe dem Manager für die großartige Aufbauleistung der vergangenen Jahre gedankt und ihn mit der Maßgabe beurlaubt, die weitere Zusammenarbeit in einem weiteren Gespräch zu regeln. Und dann noch: „Das Verhältnis zwischen Dieter Schwarz und Klaus Gehrig ist weiterhin ungetrübt.“

Spitzname „Killerwal“

Lange Jahre hatte Gehrig den Handelsriesen mit eiserner Hand nach vorne gepeitscht. Im Unternehmen soll er Medienberichten zufolge den Spitznamen „Killerwal“ getragen haben. Tatsache ist: Wer Gehrigs Erwartungen nicht erfüllte, blieb nicht lange auf seinem Posten. Das mussten insbesondere zahlreiche Lidl-Topmanager am eigenen Leib erfahren. „Wir agieren in einem harten Wettbewerbsumfeld, da kann ich nur sagen: Entweder wir behaupten uns, oder wir sind weg vom Markt“, begründete Gehrig in einem seiner seltenen Interviews seine Härte.

In den vergangenen Jahren hatte sich das Personalkarussell in der Schwarz-Gruppe immer schneller gedreht. Nur einer blieb von den Turbulenzen unberührt: Gehrig selbst. Bis jetzt.

Nach früheren Aussagen hatte Gehrig eigentlich erst mit 75 Jahren die Leitung des Konzerns in andere Hände geben wollen - also in zwei Jahren. Der Ruhestand schien ihm nicht verlockend. In einem Interview sagte er einmal: „Arbeite ich, weil ich nicht ohne Arbeit sein kann? Ehrlicherweise: ja.“

Welche Personalfrage nun letztlich genau zu seinem plötzlichen Rückzug führte, darüber schwieg sich das Unternehmen aus. Bereits im Mai hatte die von Gehrig sehr geförderte 30-jährige Topmanagerin Melanie Köhler das Unternehmen überraschend verlassen.

Stellvertreter wird wohl neuer Chef

Schlagzeilen hatte Gehrig zuletzt gemacht, als er Ende vergangenen Jahres auf Bauernproteste gegen die Preispolitik des Einzelhandels ungewöhnlich offen reagierte, 50 Millionen Euro Soforthilfe für Schweinebauern ankündigte und eine Ombudsstelle für eine Beilegung von Konflikten zwischen Einzelhandel und Landwirtschaft vorschlug.

Nachfolger von Gehrig soll sein aktueller Stellvertreter, der 49-jährige Lidl-Chef Gerd Chrzanowski, werden. Die Nachfolgeplanung war schon im vergangenen Jahr verkündet worden. Doch war bisher kein Zeitpunkt für den Amtswechsel genannt worden.

Allerdings soll der designierte Nachfolger den neuen Posten noch nicht sofort antreten. Eigentümer Schwarz werde die von Gehrig geräumte Funktion des Komplementärs so lange selbst wahrnehmen, bis Chrzanowski das Mandat übernehmen könne, erklärte die Schwarz-Gruppe. Chrzanowski gilt laut „Lebensmittel Zeitung“ als gewiefter Stratege und als einer der Väter der neuen aufgewerteten Lidl-Filialgeneration.