Exklusiv Am Abend des „schwarzen Donnerstags“ gab es in der Staatskanzlei ein bisher nicht bekanntes Gipfeltreffen. Dabei wurde OB Schuster von Premier Mappus scharf angegriffen. Der Grund: seine Kritik an dem Polizeieinsatz.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Am Abend des „Schwarzen Donnerstags“, an dem es zu dem blutigen Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten kam, ist ein bisher nicht bekanntes Spitzentreffen im Staatsministerium geplant und wohl auch durchgeführt worden. Neben dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) und dem Bahnchef Rüdiger Grube sollten daran weitere hochrangige Teilnehmer der Landesregierung, der Bahn und der Stadt Stuttgart teilnehmen. Dabei kam es offenbar zu einer massiven Verbalattacke von Mappus auf den damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Der Grund: Schuster hatte sich tagsüber betroffen über den Polizeieinsatz geäußert.

 

Gegenüber dem ersten Untersuchungsausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ sollte dieses und ein vorhergehendes Spitzentreffen am 10. September ausdrücklich nicht erwähnt werden. Dies wurde bei der internen Vorbereitung von Zeugenaussagen durch das Staatsministerium empfohlen. In einem Vermerk für die politische Spitze hieß es sinngemäß, die prominent besetzte Runde sei bisher nicht thematisiert worden und solle auch künftig nicht angesprochen werden; schließlich sei es dort nicht vorrangig um den Baufortschritt für das Bahnprojekt Stuttgart 21 gegangen. Offenbar kam das Treffen in dem Gremium tatsächlich nicht zur Sprache – selbst im Sondervotum der damaligen Opposition von SPD und Grünen ist keine Rede davon.

Hochkarätige Runde im „Eckzimmer“

Hinweise auf das Spitzentreffen ergeben sich nach Informationen der Stuttgarter Zeitung aus Dokumenten, die im Zuge der juristischen und parlamentarischen Aufarbeitung des „schwarzen Donnerstags“ erhoben wurden. Danach sollte die „Elefantenrunde“ am 30. September 2010 um 21 Uhr im sogenannten Eckzimmer des Staatsministeriums stattfinden. Am Vormittag des Tages, als der Polizeieinsatz bereits angelaufen war, wurden die voraussichtlichen Teilnehmer vom Büro des damaligen Staatssekretärs Hubert Wicker (CDU) an hochrangige Mitarbeiter von Mappus übermittelt.

Von Seiten der Landesregierung angekündigt waren danach Ministerpräsident Mappus, Staatsminister Helmut Rau und Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner, dazu Spitzenbeamte wie Wicker und Gönners Amtschef Bernhard Bauer (alle CDU). Innenminister Heribert Rech stand nicht auf der Liste – womöglich war bereits absehbar, dass er an dem Abend Fernsehinterviews geben müsste. Die damals noch mitregierende FDP war wohl nicht vertreten. Als Teilnehmer der Bahn aufgelistet waren Vorstandschef Rüdiger Grube und Technikvorstand Volker Kefer, zudem der Leiter der Konzernkommunikation, Oliver Schumacher, sowie die Projektsprecher Udo Andriof und Wolfgang Dietrich. Erwartet wurden zudem die Chefs der Kommunikationsagentur CNC und der Werbeagentur „Die Crew“. Von Seiten waren OB Schuster und der Erste Bürgermeister Michael Föll angekündigt.

Mappus kanzelt OB Schuster ab

Nach StZ-Informationen hat das Treffen tatsächlich stattgefunden, wie informell von verschiedenen Seiten bestätigt wird. Der Teilnehmerkreis habe im wesentlichen, aber nicht exakt der Liste entsprochen. Unklar blieb zunächst, ob die Runde schon länger geplant war oder kurzfristig einberufen wurde. Offenbar sollte es um die künftige Kommunikations- und Werbestrategie für Stuttgart 21 gehen. Dafür spricht auch die Anwesenheit der Agenturprofis. Die Besprechung wurde dann jedoch von den Ereignissen im Schlossgarten überschattet: Bundesweit war der blutige Polizeieinsatz ein Topthema in den Nachrichten, auf allen Fernsehkanälen wurden am Abend die Bilder aus dem Stuttgarter Schlossgarten gezeigt.

Stuttgarts OB Schuster hatte sich angesichts der Eskalation schon im Tagesverlauf betroffen und kritisch geäußert. Solche Szenen dürfe es in Stuttgart nie wieder geben, sagte er sinngemäß gegenüber Medienvertretern. Damit zog er den Zorn seines Parteifreundes Stefan Mappus auf sich, der offenbar uneingeschränkten Rückhalt für seine harte Linie erwartete. Vor versammelter Mannschaft habe der Ministerpräsident den Rathauschef der Landeshauptstadt deshalb in beispielloser Weise abgekanzelt, verlautete aus Teilnehmerkreisen; seine Wortwahl sei völlig unangemessen und ungehörig gewesen. „Der hat ihn rundgemacht“, hieß es – und das nur, weil Schuster es sich erlaubt habe, den Verlauf des Polizeieinsatzes zu bedauern. Der OB sei über die Verbalattacke des Parteifreundes konsterniert und erschüttert gewesen, ist zu hören. Auch andere Teilnehmer sollen über Mappus’ Auftritt befremdet bis fassungslos gewesen sein.

Thema für neuen U-Ausschuss

Das Spitzentreffen könnte nun zum Thema im zweiten Untersuchungsausschuss des Landtags werden. Der Grünen-Obmann Ulrich Sckerl sagte der StZ: „Ein Treffen am Abend des 30. September in absolut hochkarätiger Besetzung könnte für den Ausschuss wegen des sehr engen zeitlichen Zusammenhangs zum Polizeieinsatz wichtig werden. Wir werden uns daher eine genaue Untersuchung des Sachverhalts vorbehalten“. Das Staatsministerium kündigte eine Prüfung des Vorgangs an.