Der Mief der Tennishalle in Laax ist verschwunden, Freestyle in der Arena ist angesagt.

Laax - Hip-Hop dröhnt aus den Boxen. Junge Menschen mit bunten Mützen und übergroßen Hosen nippen an ihren Dosen und feuern einen Snowboarder an, der mit seinem Brett auf den Absprung zusteuert. Er legt einen Salto hin und landet in einer riesigen Schnitzelgrube. Es dauert, bis er sich aus den ziegelsteingroßen Schaumstoffstücken nach oben gräbt und den Applaus abholt. Die beiden Sprungschanzen sind das Herzstück der Freestyle-Halle im schweizerischen Laax. Auf einem Spezialbelag sausen Snowboarder und Freeskier hinab. An der Rampe daneben wirbeln Biker durch die Luft, Skateboarder brettern über die Miniramp und heben ab. Das Motto ist an die Wand gepinselt: „Kannst du fliegen? Yes, you can.“

 

Aber vor den Flug haben die Betreiber der Freestyle-Academy den Einführungskurs gesetzt. Wer die Einrichtung nutzen will, muss den Trainern erst beweisen, dass er es draufhat. Der Andrang ist groß, die Jugendlichen stehen Schlange. Die Teilnehmer versammeln sich auf großen blauen Matten, wie man sie aus dem Schulunterricht kennt. Erst mal aufwärmen. Rücklings lässt man sich in eine Minischnitzelgrube fallen und darf dann auf ein im Boden installiertes Profi-Trampolin. Hier sind die unterschiedlichsten Auftritte zu sehen: gekonnte Drehungen, Salti und unkontrollierte Wackelfiguren. Katarina Prokesova hat die erste Runde geschafft und darf mit ihrem Board einen Minihügel hinabrutschen, um das Gefühl für den Teppichbelag zu bekommen. Die Kunststoffunterlage besteht aus weichen Borsten. Ein Mitarbeiter dreht regelmäßig Runden, um den Teppich zu befeuchten. Mit dem Sprühgerät in der Hand und der Flasche auf dem Rücken sieht der Mann aus wie ein Unkrautbekämpfer. Er hat das Terrain für Katarina Prokesova frisch bereitet. Der Teppich ist stumpfer als Schnee, das Board reagiert langsamer. Die 35-Jährige übt fleißig, aber der Trainer ist skeptisch, ob sie heute noch den Führerschein für die Halle bekommt.

Manche kommen nur zum Chillen

Mittlerweile sind die Lifte am Berg abgeschaltet. Es dunkelt, und damit füllt sich die Freestyle-Academy zur After Hour und fürs Après-Ski. Manche kommen nur zum Chillen, breiten sich in den Sesseln im Café aus. Andere wollen richtig Gas geben, darunter sogar Snowboard-Nationalmannschaften. „Draußen geht jetzt nichts mehr. Außerdem müssen wir hier nicht am Lift anstehen und kommen häufiger dran“, sagt Stefan Cerwenka, Trainer des österreichischen Teams. Solche Sätze hört Reto Poltera gern. Er gehört zu den Ideengebern der Freestyle-Academy und muss sich immer wieder verteidigen. Skihallen gehören ins heiße Dubai oder in den flachen Ruhrpott, aber doch nicht in die Schweiz, sagen Kritiker. Poltera hält dagegen: „Auf der Piste sind neue Tricks oft mit Schmerzen verbunden. Bei uns kann jeder auf die sanfte Art üben.“

Neue Freestyle-Area für 1,3 Millionen Euro

Poltera ist eine Art Berufsjugendlicher, der sich mit 41 Jahren noch wohlfühlt auf dem Skateboard. Er ist zuständig für die Bereiche Freizeit und Sport bei der Weiße Arena Gruppe, jener Holding, die auch das Skigebiet Laax plus Infrastruktur ihr Eigen nennt. Um die jungen Gäste bei Laune zu halten, muss er sich immer wieder etwas einfallen lassen. So hat Poltera vor ein paar Jahren die Woodward Camps in den USA besucht. Er war begeistert von der Anlage und gibt offen zu, dass man sie in Laax kopiert hat. Mitarbeiter der Weiße Arena haben den Altherrenmief aus der Tennishalle gekehrt und für etwa 1,3 Millionen Euro eine Freestyle-Area geschaffen. Allein 80 000 Euro hat der Bodenbelag gekostet, auf den Poltera besonders stolz ist.
Aber Katarina Prokesova kommt mit dem Edelbelag nicht klar. Ihr Board macht nicht, was sie will, obwohl sie schon Dutzende Versuche auf dem Übungshügel hinter sich hat. Die Platzreife schafft sie heute nicht mehr. Ihr fehlt die nötige Sicherheit, die man nicht unbedingt in der Halle erlangt, und deswegen hat sie sich entschieden, einen Kurs am Berg zu machen, um dort erste Sprünge zu üben.

Die Schanzen der Academy sind nichts für absolute Beginner. Dabei sollen Jung und Alt sommers wie winters ihren Spaß in der Halle haben. Die Verantwortlichen wollen Kleinkinder auf die Matten und Trampolins locken, während Mama und Papa über die Pisten düsen. Ein Betreuungsangebot ist in Arbeit. Außerdem soll die Freestyle-Halle das Geschäft in der schneefreien Zeit ankurbeln, deswegen sind auch Bike-Kurse geplant. Wenn es nach dem Willen von Reto Poltera geht, kreuzen demnächst sogar Manager in der Halle auf, um zu großen Sprüngen anzusetzen. Freestyle sei schließlich Teamarbeit, weil man sich gegenseitig Mut mache. „Kannst du fliegen? Yes, you can.“

Infos zu Laax

Anreise
Laax ist über Lindau, Bregenz und Chur gut mit der Bahn zu erreichen. Weitere Informationen unter: www.bahn.de. Ab Chur gibt es sehr gute Busverbindungen in etwa 50 Minuten ins Skigebiet. Mit dem Auto am besten über Lindau, durch den Pfändertunnel, durchs Rheintal und über Chur nach Laax. Bitte beachten: In der Schweiz besteht Vignettenpflicht auf allen Autobahnen. Die Plakette ist gültig ab dem 1. Dezember des Vorjahres bis zum 31. Januar des Folgejahres. Kostenpunkt: etwa 33 Euro.

Übernachtung
Rocksresort (Familien-Apartments mit vier Betten): 800 bis 2200 Euro/Woche. www.rocksresort.com
Signinahotel: Doppelzimmer mit Frühstück ab 90 Euro pro Person/Nacht. www.signinahotel.com

Essen und Trinken
Tegia Larnags in Laax-Murschetg: gemütliche Gaststube mit feinen, regionalen und Schweizer Spezialitäten; Rösti, abends auch Fondue; bestes Après-Ski in Laax.
Restaurant Mulania: feine Spezialitäten und exquisite Küche auf dem Niveau von 15 Gault-Millau-Punkten. Ausgezeichnete Käseauswahl, fantastischer Weinkeller mit Fokus auf Italien, Spanien und Österreich. www.mulania.ch

Freestyle-Halle
Eintritt: Halle (2,5 Stunden), Erwachsene 20 Euro, Jugendliche 15 Euro, Kinder 12 Euro. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Sonntag von 13.30 bis 21 Uhr.

Weitere Informationen
http://freestyleacademy.laax.com www.switzerland.com www.laax.com