Schwerpunkt bei Arte Große Märchenerzähler

Der Kultursender Arte spürt Märchen nach. Im Zentrum des Themenschwerpunkts: Porträts der Schwedin Selma Lagerlöf und des Dänen Hans Christian Andersen. Deren Bücher haben auch Erwachsenen viel zu sagen.
Stuttgart - Soll man Kindern Märchen erzählen? Geht es in diesen Geschichten aus anderen Zeiten nicht extrem brutal zu? Werden da nicht krause Werte vermittelt und Ängste in Kinderherzen gepflanzt? Dieser modernen Debatte geht der Kultursender Arte mit seinem Märchenschwerpunkt an diesem Samstag bewusst aus dem Weg. Im Zentrum des Programms stehen Porträts von Selma Lagerlöf und Hans Christian Andersen, deren Leben und Werke erwachsenen Lesern so viel geben wie kindlichen.
Geht man vom Nachruhm aus, könnte man von zwei Erfolgsgeschichten sprechen. Aber das Leben der Schwedin und das des Dänen verliefen sehr unterschiedlich, Glück fand allenfalls Lagerlöf mit ihrem Schreiben. Die 1858 als Tochter eines kleinen Gutsbesitzers Geborene erhielt nicht nur 1909 als erste Frau den Literaturnobelpreis. Sie setzte sich auch sonst stets gegen Konventionen und Erwartungen durch.
Anders geformte Gehirne
Eigentlich hätte sie nach dem Willen des Vaters Gouvernante werden sollen, also gegen Kost und Logis bei Verwandten oder in der Nachbarschaft auf Kinder aufpassen und denen das nötigste Grundwissen beibringen sollen. Selma ertrotzte sich die Ausbildung und die Unabhängigkeit schaffende Berufstätigkeit als Lehrerin, aus der sie 1895 in die Selbstständigkeit als Autorin wechselte. Zu einer Zeit, so erinnert André Schäfers Porträtfilm „Die wunderbare Reise der Selma Lagerlöf“, als viele Männer Frauen noch absprachen, zu „echter Literatur“ fähig zu sein. Weil ihre Gehirne anders geformt seien als die von Männern, seien sie bloß fähig, selbst Erlebtes unreflektiert aufzuschreiben. Bei „Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden“, Lagerlöfs meistgelesenem Buch, konnte auch der bornierteste Chauvinist nicht auf die Idee kommen, sie habe das selbst erlebt: sei also auf Däumlingsgröße geschrumpft auf dem Rücken einer Wildgans durch die Lüfte geflogen.
Eine echte Nervensäge
Nach diesem Buch musste Lagerlöf erst einmal dagegen kämpfen, dauerhaft in die Märchenecke gestellt zu werden. Aber auch das gelang ihr – wie ein Lebensentwurf als lesbische Frau in einer Gesellschaft, die darauf eigentlich noch nicht vorbereitet war.
Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Hans Christian Andersen (1805-1875) hatte es da sehr viel schwerer. Seiner Lebtage blieb er mitten unter anderen Menschen der einsame Sonderling, mit seinen vielen Ticks, Marotten und Zwangsvorstellungen – etwa der, man könne ihn versehentlich lebendig begraben – ging er auch Wohlmeinenden auf die Nerven. Sabine Biers Porträt „Märchen für die Welt“ ist manchmal ein bisschen zu säuselnd. Aber dass das Düstere, Fragile, Mitleidlose der Andersen-Erzählungen autobiografische Wurzeln hat, daran bleibt auch hier kein Zweifel.
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