Weil sich in letzter Zeit Gewalt und Belästigungen in der S-Bahn häufen, haben Bundes- und Landespolizei in Stuttgart gemeinsame Streifen losgeschickt.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Ein betrunkener Mann belästigt eine Jugendliche in der Linie S 60, ein Trio beraubt einen 22-Jährigen in der S 3, ein 21-Jähriger schlägt am S-Bahn-Halt Hauptbahnhof einen Zeugen, der versuchen wollte, einen Handydiebstahl zu verhindern: In den vergangenen Tagen häufen sich die Fälle von Gewaltstraftaten und Sexualdelikten im Bahnverkehr. Gründe für die Bundespolizei und Stuttgarter Polizei, mit einer Schwerpunktaktion am Dienstagabend nach dem Rechten zu sehen – und ein Zeichen zu setzen.

 

Acht Stunden lang, von 16 bis 24 Uhr, sind die Beamten von Land und Bund in gemischten Streifen bei ihrer gemeinsamen Aktion in den S-Bahnen und an den Haltestellen zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße sowie in der Klett-Passage unterwegs gewesen, zusätzlich begleitet von Kontrolleuren der Bahn AG. Die Zeit nach Feierabend wurde vor allem deswegen gewählt, weil sich Gewaltdelikte und Jugendkriminalität vor allem in den Abend- und Nachtstunden abspielen. „Vorrangig ging es darum, Präsenz zu zeigen und das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu stärken“, sagt der Bundespolizeisprecher Sebastian Maus. Bei vielen Reisenden sei dies sehr positiv aufgenommen worden – aber nicht bei allen.

Nicht alle sind einsichtig

Ein 46-Jähriger etwa, der ohne Fahrschein erwischt wurde, zeigte sich nicht etwa reumütig, sondern beleidigte die Polizisten. Das brachte ihm eine zusätzliche Anzeige ein. Insgesamt aber wurden relativ wenige Fahrgäste ohne Ticket ausfindig gemacht – lediglich sieben Schwarzfahrer wurden angezeigt. Insgesamt fünf Personen wurde jeweils ein Platzverweis erteilt.

Bei der Aktion am Dienstag wurde übrigens auch die Maskenpflicht im S-Bahn-Netz in der Region schwerpunktmäßig kontrolliert. Dabei ist die Bundespolizei für die Kontrolle der Landesverordnung zu Corona-Maßnahmen eigentlich nicht zuständig, und die Bahn AG als Hausherrin darf Verstöße nicht mit Bußgeldern sanktionieren. Seit Ende September arbeiten die Polizeipräsidien des Landes mit der Bundespolizei nun aber auch in diesem Punkt enger zusammen – so starteten zunächst im Rems-Murr-Kreis gemeinsame Kontrollen im Bahnverkehr.

Was die Statistik sagt

Weil die Bundespolizisten nun auch in Stuttgart Kollegen des Landes dabeihatten, wurde erstmals in der Landeshauptstadt im S-Bahn-Bereich verstärkt nach Maskenmuffeln Ausschau gehalten. Die Bilanz: 193 Beanstandungen. „Dabei waren aber fast alle einsichtig“, sagt Polizeisprecher Maus. Nur ein 23-Jähriger habe das mit der Mund-Nasen-Bedeckung partout nicht einsehen wollen. Er wurde daraufhin angezeigt.

Immerhin: Gewaltstraftaten wurden während der Schwerpunktaktion weder beobachtet noch angezeigt. Würde sich die Bundespolizei allein auf ihre Statistik verlassen, gäbe es für die Großaktion kaum Anlass. „Der Trend bei den Gewaltdelikten ist bisher gleichbleibend bis leicht ansteigend“, sagt Polizeisprecher Maus mit Blick auf die Bilanz der ersten acht Monate im Bereich des Gebiets des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS). Freilich: Im Corona-Jahr sind auch weniger Fahrgäste unterwegs gewesen. Besonders während des allgemeinen Lockdowns im März und April gab es deshalb deutlich weniger Straftaten.

Weniger Tatverdächtige gefasst

Einen Wermutstropfen gibt es in der Statistik: Die Zahl der erwischten Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten ging im Vergleich der ersten acht Monate leicht zurück – und damit auch die Aufklärungsquote. Die Beamten setzen hier vor allem auf eine flächendeckende Videoüberwachung – sodass es meistens Lichtbilder von den gesuchten Tätern gibt.

Noch nicht gefasst ist das Trio, das am 11. Oktober auf der S-Bahn-Fahrt zwischen Backnang und Winnenden im Rems-Murr-Kreis einen 22-Jährigen bedrohte und ihm sein Bargeld abnahm. Oder der Täter, der am 8. Oktober am Cannstatter Bahnhof einen 44-Jährigen schlug, um dessen Rucksack zu erbeuten. Die Spur des Gesuchten verlor sich in einer Bahn der Linie S 1.