Wegen der Einlagerung von Bauschutt aus der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe in der Deponie Am Froschgraben muss sich der AVL-Chef Utz Remlinger heftige Vorwürfe vom Gemeinderat anhören.

Schwieberdingen - So viele Zuhörer hatte der Schwieberdinger Gemeinderat wohl schon lange nicht mehr: Mehr als 50 Zuhörer waren am Mittwochabend gekommen, die Stühle standen bis auf den Gang hinaus. Und alle waren da, weil sie von Utz Remlinger, dem Chef der Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg (AVL), Antworten erwarteten. Es ging um die Tatsache, dass die AVL von 2007 bis zum vergangenen März knapp 324 Tonnen freigemessenen Bauschutt aus dem Abriss der Karlsruher Wiederaufbereitungsanlage unter anderem in der Deponie Am Froschgraben eingelagert hat. Im August wurde das durch Presseberichte bekannt. Freigemessen bedeutet, dass das Material den Strahlen-Grenzwert von zehn Mikrosievert im Jahr unterschreitet. Zum Vergleich: nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz beträgt die durchschnittliche natürliche Strahlendosis 2000 Mikrosievert pro Jahr.

 

Auch wenn das am Froschgraben eingelagerte Material gemäß der Strahlenschutzverordnung als nicht radioaktiv belastet eingestuft wird, hat es doch in der Bevölkerung zu massiver Verunsicherung geführt. Umso mehr, als von 2017 an freigemessener Bauschutt vom Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim in die Kreisdeponien Froschgraben und Burghof eingelagert werden soll. So zielten nahezu alle Fragen in der Bürgerfragestunde auf die AVL. Und der Bürgermeister Nico Lauxmann sagte: „Ich weiß, wie sehr das die Schwieberdinger bewegt, mich bewegt es auch“, sagte er.

Remlinger wird mangelndes politisches Gespür vorgeworfen

Schon einmal, Mitte September, stand der Leiter der Abteilung Deponie- und Energietechnik, Albrecht Tschackert, dem Ausschuss für Umwelt und Technik Rede und Antwort. An diesem Mittwochabend kam dann auch der Chef, Utz Remlinger, in die Sitzung. Und er musste sich von den Gemeinderäten viel Unmut anhören: „Unser Vertrauen in Sie wurde zutiefst enttäuscht“, sagte etwa Dieter Rommel (CDU). Er warf Remlinger mangelndes politisches Gespür vor: „Bei solchen Abfällen muss ich doch die Öffentlichkeit informieren.“ Remlinger blieb jedoch bei seiner Aussage: Da es sich deklaratorisch um normale Abfälle gehandelt habe, habe er diese Einlagerung als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ aufgefasst und deswegen die Öffentlichkeit nicht informiert. „Da war kein böser Wille dabei, keine Absicht, jemanden zu hintergehen“, betonte der AVL-Chef.

Daran knüpfte Lutz Enzensperger (SPD) an: Mit der kommunikationspolitischen „Salamitaktik“ der letzten Jahre habe die AVL den „Anschein erweckt, hier gebe es etwas zu verbergen“. Das Vertrauen sei „nachhaltig zerstört“, eine Informationsveranstaltung „dringend erforderlich“. Auch Redner anderer Fraktionen äußerten sich so und forderten, den Rat eines unabhängigen Gutachters einzuholen. Mancher bezweifelte sogar die Zusage des Auslaufens der Deponie im Jahr 2025. „Die AVL hat nicht vor, diese Deponie noch einmal zu erweitern“, stellte Remlinger indes klar. Auch dass die Schwieberdinger in Zukunft von weiteren Nachrichten überrascht werden könnten – etwa über die Einlagerung von Klärschlamm, Cadmium, Blei oder Arsen am Froschgraben –, konnte Remlinger „nach bestem Wissen und Gewissen verneinen“.

Lauxmann fordert „Kommunikation auf Augenhöhe“

In einem entscheidenden Punkt revidierte Remlinger seine Aussage gegenüber seiner Stellungnahme Ende August aber: Der AVL-Aufsichtsrat sei doch über die Einlagerung des freigemessenen Bauschutts aus Karlsruhe informiert worden, und zwar in einer nicht-öffentlichen Sitzung im Mai 2014. Für die Gemeinderäte war das viel zu spät. Auch Lauxmann forderte für die Zukunft mit Blick auf Neckarwestheim eine „Kommunikation auf Augenhöhe“. Dass er über die Presse von den Einlagerungen aus Karlsruhe erfahren musste, habe ihn „sehr verwundert“.

Auf Nachfrage unserer Zeitung meldete sich auch der Landrat und AVL-Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Haas zu Wort: Er habe von den Einlagerungen ebenfalls aus der Presse erfahren. Dennoch stimme es, dass es eine Information für den Aufsichtsrat gegeben habe; nur habe man darin die „politische Brisanz des Bauschutts überhaupt nicht wahrnehmen“ können. Im Protokoll der Sitzung heißt es, dass „immer wieder kleine Mengen von mineralischen Abfällen aus Baumaßnahmen am früheren Forschungsreaktor Karlsruhe angenommen wurden“ und diese „nach Strahlenschutzrecht aus der strahlenschutztechnischen Überwachung entlassen wurden“ und als „normaler Abfall zu beseitigen waren“. Jedoch ist hier nur die Rede von der Deponie Burghof in Vaihingen/Enz und nicht vom Froschgraben. „Das hätte man mir sagen müssen“, sagt Haas rückblickend. Dennoch will er Remlinger keinen Vorwurf machen: „Damals war die Sensibilität bei diesem Thema noch nicht so groß.“