Der Anteil der Menschen, die nicht schwimmen können, ist bereits seit Jahren hoch. Vereine im Kreis befürchten nun, dass sich die Zahl der Nichtschwimmer durch Corona zusätzlich erhöht – und hoffen auf eine Lockerung der Regelungen.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Ludwigsburg - Ins Wasser springen, schwimmen, untertauchen – angesichts der oft hohen Temperaturen in den vergangenen Wochen zogen die Menschen in Scharen an Badeseen und in die Freibäder. Doch das Schwimmen und der Umgang im Wasser allgemein will gelernt sein. Seit Jahren warnt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) vor einem steigenden Anteil an Nichtschwimmern in Deutschland. Dieses Problem wird sich nun wegen der Corona-Krise voraussichtlich noch verschärfen.

 

Von einem „verlorenen Jahr“ spricht denn auch Ursula Jung, Vizepräsidentin des DLRG-Landesverbands Württemberg. Wegen der Pandemie hatten viele Schwimmbäder monatelang geschlossen, manche sind es auch jetzt noch. Normalerweise zeichne der Landesverband mehr als 5000 Kinder jährlich mit dem Seepferdchen-Abzeichen aus. Wie viele es in diesem Jahr sein werden, wagt Jung nicht zu schätzen. Und: Wer ein Seepferdchen habe, sei davon abgesehen noch lange kein sicherer Schwimmer.

Seit Juni sind Schwimmkurse zwar wieder möglich, allerdings nur unter Auflagen: So galten zunächst dieselben Abstandsregeln wie an Land, Schwimmlehrer mussten sich von ihren Schützlingen also stets anderthalb Meter entfernt halten. „Das ist bei Schwimmanfängern ziemlich schwierig“, sagt Simon Kunz, Schwimmtrainer beim Schwimmverein Ludwigsburg (SVL). „Deshalb haben wir damals auf Eltern-Kind-Kurse umgestellt“ – sodass die Eltern ihre Kinder bei Bedarf halten können.

Schwimmkurse in kleinen Gruppen sind wieder erlaubt

Seit Juli sind Schwimmkurse auch ohne Abstandsregeln möglich, allerdings nur in Gruppen von bis zu 20 Personen. Pro zehn Quadratmeter Wasserfläche ist nur eine Person erlaubt, eine Schwimmbahn mit einer Länge von 50 Metern dürfen höchstens zehn Personen gleichzeitig nutzen, Aufschwimmen oder Überholen sind untersagt. Der SVL hat mittlerweile wieder auf Unterricht ohne Eltern umgestellt. Trotzdem könne der Verein derzeit nur etwa 25 Kurse pro Woche anbieten – statt der üblichen 60. Dadurch reduziert sich die Zahl der Teilnehmer von den üblichen 380 auf nunmehr etwa die Hälfte.

Die DLRG-Ortsgruppe Ludwigsburg-Remseck wiederum bietet gar keine Schwimmkurse mehr an, seit das Virus in Deutschland wütet. Auch die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB) haben alle Schwimmkurse gestrichen, lediglich zwei Spring- und zwei Wassergymnastik-Kurse hätten in den Ferien stattgefunden, sagt die Bäderleiterin Gerlinde Noack. Ein Problem sei, dass die Kursteilnehmer laut Verordnung nur persönliche Schwimm- und Trainingsutensilien nutzen dürfen – problematisch, schließlich dürften die meisten Menschen Dinge wie Schwimmbretter oder Gürtel für Aquakurse nicht zuhause herumstehen haben. Bei den Kursen des SVL nutzen die Teilnehmer die Utensilien vor Ort. Allerdings dürfen sie das Gerät, das sie zu Beginn des Kurses zugewiesen bekommen, während des Unterrichts nicht wechseln. Nach den Kursen wird alles desinfiziert.

Wartelisten werden immer länger

Auch wenn der Verein wieder Kurse anbietet: Trainer Simon Kunz ist besorgt. Die Wartelisten seien überlang. „100 Kinder sind in Lauerstellung, 200 sind gar nicht versorgt“, bedauert er. Dass die Zahl der Nichtschwimmer immer größer wird, liegt aus Sicht des Schwimmtrainers aber nicht nur an Corona. Kunz, seit fast 25 Jahren Schwimmtrainer, sieht den Stellenwert von Schwimmkursen seit Jahren sinken. Im Schul-Schwimmunterricht hätten früher stets zwei Lehrkräfte zusammen unterrichtet, mittlerweile sei es häufig nur noch eine. „Als einzelne Person kann man aber inhaltlich nichts mehr vermitteln“, sagt Kunz. An diesem Punkt setzt das seit Oktober 2015 in Ludwigsburg laufende Projekt Schwimmfix an Grundschulen an, bei dem der SVL mit der Stadt, dem Landesinstitut für Schulsport, Schulkunst und Schulmusik (LIS) und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg kooperiert. Dabei bekommen Schullehrer qualifizierte Schwimmlehrer zur Seite gestellt, sodass die Kinder in zwei Gruppen unterrichtet werden können. Doch wegen Corona liegt das Projekt derzeit flach.

Den Ergebnissen einer Umfrage zufolge, die das Kultusministerium 2019 vorstellte, ist die Stadt mit dem Projekt auf einem guten Weg: Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler am Ende der Grundschule schwimmen können, höher, wenn sie von dafür qualifizierten Lehrkräften wie Schwimmtrainern unterrichtet werden. Einer Aussage der Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) im Jahr 2019 zufolge ist der Fokus auf eine größere Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Schwimmens gesetzt.

Eisenmann: Schulen sind zuständig fürs Üben

Damals sagte Eisenmann aber auch, dass die Schule lediglich dafür zuständig sei, Schwimmen zu üben. Beim Thema Schwimmenlernen liege es hingegen an den Eltern, die Angebote der Schwimmvereine und der DLRG zu nutzen. Solange es keine freien Plätze in Schwimmkursen gibt, bleibt dies aber schwierig. Bei den Stadtwerken hofft man deshalb auf eine Lockerung der Corona-Regeln.

Ursula Jung von der DLRG ruft Kommunen und Badbetreiber auf, Bäder nicht zu schließen. Immerhin: In Ludwigsburg sind das Freibad Hoheneck und das Campusbad (für Schul- und Vereinssport), in Kornwestheim ist das Alfred-Kercher-Bad geöffnet. Am 1. Oktober soll das Ludwigsburger Stadionbad dazu kommen – sofern es die Infizierten-Statistik zulässt.