Die Griechen spielen effektiv statt attraktiv: Studenten der Kölner Sporthochschule analysieren jeden Gegner der deutschen Elf genau. Wie die Spione des DFB den nächsten Gegner sezieren.

Danzig - Das Schöne am Fußball ist: nicht immer gewinnt die bessere Mannschaft. Denn es gibt ja auch noch die Faktoren Glück und Pech, die auch bei dieser Europameisterschaft nicht die kleinste Rolle spielen. Pech hatten beispielsweise die Russen, die bereits nach Hause gefahren sind, obwohl sie „objektiv betrachtet die stärkste Mannschaft der Gruppe A waren“, wie Frank Wormuth sagt. Mit viel Glück gewannen dafür die Griechen mit 1:0 gegen Russland, sie spielen nun im Viertelfinale gegen Deutschland – „und das ist schon etwas überraschend“.

 

Frank Wormuth ist ein Informant des Bundestrainers

Frank Wormuth, der Leiter der DFB-Fußballlehrer-Ausbildung, ist bei der EM als Informant des Bundestrainers Joachim Löw im Einsatz. Er hat in der Vorrunde die Gruppe A beobachtet und ist nun dafür zuständig, dass sich die deutsche Mannschaft gegen Griechenland nicht auf ihr Glück verlassen muss. Eingehend hat er den Viertelfinalgegner studiert und seine Erkenntnisse an Löw weitergereicht: „Der Bundestrainer kannte schon vorher ihre Schwächen“, sagt Frank Wormuth: „Er hat durch meine Beobachtungen allenfalls noch eine Bestätigung dafür bekommen.“

Kölner Sportstudenten helfen

Der frühere Trainer des SSV Reutlingen und des VfR Aalen ist nur ein Teil der deutschen Scouting-Abteilung, die schon lange vor der EM ihre Arbeit aufgenommen hat. Der Schwerpunkt dieser Tätigkeit liegt an der Sporthochschule Köln, wo im Herbst 2005 auf Betreiben des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann die „Arbeitsstelle für Scouting-Studien“ eingerichtet wurde. Der Institutsleiter Jürgen Buschmann beobachtet seither mit seinem Team studentischer Hilfskräfte im Auftrag des DFB den gesamten Weltfußball.

Kölner Spione füllten Lehmanns Zettel

Dem berühmten Zettel, den der Torhüter Jens Lehmann im Elfmeterschießen des WM-Viertelfinals 2006 gegen Argentinien in seinem Stutzen trug, waren die Erkenntnisse der Kölner Spione zugrunde gelegen. Und im Anschluss an die Gruppenauslosung dieser EM kümmerten sich 45 Studenten darum, die drei deutschen Vorrundengegner zu sezieren. Bis ins letzte Detail wurden die jeweils zehn letzten Spiele analysiert, es wurden Profile jedes einzelnen Spielers und Videomaterial zu jeder Eckballvariante erstellt. 500 Seiten Papier und 20 DVDs waren allein für den Auftaktgegner Portugal nötig.

Der Bundestrainer weiß also über jedes Detail Bescheid – gibt aber nur einen Bruchteil davon an seine Spieler weiter. „Es ist nicht so interessant, ob ein Gegenspieler 1,94 Meter groß und 85 Kilo schwer ist“, sagt Löw, „entscheidend ist die genaue Charakteristik seiner Spielweise.“ Nur einige wenige Videosequenzen zeigt er seiner Mannschaft vor den Spielen. Es ist die Quintessenz dessen, was Jürgen Buschmann und sein Team in monatelanger Kleinarbeit in Köln zusammengetragen haben. Buschmanns Kollege Stephan Nopp und Christopher Clemens vom Hamburger SV sind das Bindeglied ins Mannschaftsquartier, da der langjährige Chefscout, der Schweizer Urs Siegenthaler, bei dieser EM wegen einer Erkrankung ausgefallen ist.

Aufopferungsvolle Griechen

Erkenntnisse über Griechenland: effektiv statt attraktiv

Zu drei Siegen in den drei Vorrundenspielen haben die Erkenntnisse der Spione beigetragen – gegen Griechenland soll der nächste folgen. „Ihre Stärken haben die Griechen in der Defensive und ganz klar im Zweikampfverhalten“, sagt Frank Wormuth: „Aufopferungsvoll schmeißen sie sich in Torschüsse oder scharf gespielte finale Pässe hinein.“ Der Nationaltrainer, der Portugiese Fernando Santos, lasse „nach Otto Rehhagels Maxime spielen: Effektivität geht vor Attraktivität“.

Wahrscheinlich ist das nicht die schlechteste Vorgehensweise. Unter Rehhagel wurde Griechenland 2004 völlig überraschend Europameister, nachdem sich auch damals zur Effektivität eine große Portion Glück gesellt hatte.