In Münklingen wächst Wacholder. Da muss man Gin draus machen, dachte sich Sebastian Stanger. Wobei das mit dem Wacholder kompliziert ist.

Weil der Stadt - Wie jede gute Start-up-Geschichte beginnt auch diese hier natürlich in der Garage. „Abende lang sind wir da gesessen und haben rumprobiert“, erinnert sich Sebastian Stanger. „Irgendwann haben dann aber unsere Frauen gesagt: Jetzt ist Schluss, jetzt kommt Ihr raus aus Eurer Garage.“ Und das hat sich gelohnt. Der „Heckengäu-Gin“ ist das Ergebnis, ein heimisches Produkt aus Münklingen, das mittlerweile auch in England, Schweden, der Schweiz und in Kambodscha seine Fans hat.

 

Sebastian Stanger spaziert über den Büchelberg, ein herrliches Wandergebiet über den Hügeln des Weil der Städter Teilorts. Schafe grasen hier mitunter, Kinder spielen in einem alten Steinbruch.

Und überall wachsen viele Wacholderbüsche mit ihren kleinen, blauen Beeren. Und spätestens beim Stichwort Wacholder muss es klingeln. Sebastian Stanger erinnert sich nur noch dunkel, es war eine wilde Idee beim Bier: „Ja, das war die Ur-Idee: Wir ernten den Büchelberg ab und machen Gin draus.“

Sebastian Stanger und sein Kumpel waren Vorreiter

Den Büchelberg kennt jeder, der in Weil der Stadt wohnt oder aufgewachsen ist. Ein bisschen ätzend, erinnert sich der 35-Jährige, waren früher die Spaziergänge mit den Eltern hier. Später wurden dann Lager und Spiele zwischen den Büschen und Steinbrüchen umso spannender. „Dass ich hier mal ein Business draus mache, hätte ich damals aber nicht gedacht“, sagt er und muss selbst schmunzeln.

Gin gibt es heute aus jedem Schwarzwaldtal, in den Läden biegen sich die Regale. 2014 war das noch nicht so. Dass Sebastian Stanger und sein Kumpel Vorreiter sein würden, konnte niemand ahnen. Umso ausgeruhter und konzentrierter konnten sie ans Werk gehen, damals noch mit Brennblase, Teelicht, Kochplatte – und eben in der Garage.

Die Herstellung von Gin ist schnell erklärt: Man nehme reinen Alkohol, füge den Wacholder und allerlei Zutaten dazu, und brenne wieder das Ganze dann. Das Geheimnis hängt nur an der Frage, welche Zutaten man in die Brühe gibt. In Stangers Team war damals unter anderem ein promovierter Chemiker, es ging also streng wissenschaftlich an die Versuchsreihe. Koriander, Basilikum und Rosmarin lagen bereit. „Das ist dann eine eklige, grüne, schleimige Brühe“, berichtet Stanger. „Gerade Wacholder ist ja sehr ölig.“ Und dann mussten sie probieren, und brennen, und wieder probieren und brennen. Mit oder ohne Zitrus-Aroma? Soll es süß oder nicht so süß sein?

Anderthalb Jahre ging das so, schließlich aber stand das Rezept für den Heckengäu-Gin. Und an dieser Stelle müssen wir ein Geheimnis verraten, das die Lokalpatrioten irritieren und zugleich versöhnen mag. Denn im Heckengäu-Gin ist gar kein Wacholder vom Münklinger Büchelberg drin. „Nein“, gibt Sebastian Stanger zu, „wir sind hier im Naturschutzgebiet, und da ist es natürlich nicht legal, die Pflanze im großen Stil zu ernten.“ Darum beziehen sie die Früchte aus der Toskana, was aber auch dem Geschmack zugutekommt. „Gin braucht eine Süße“, erklärt Stanger. Die entwickelt sich im sonnigen Italien natürlich intensiver als bei deutschen Früchtchen.

Anfangs hat Sebastian Stanger die Kräuter noch per Hand abgezupft

Diese Erkenntnis und ein Rezept genügen aber noch lange nicht auf dem Weg zum Gin-Großproduzenten. „Wir hatten den riesigen Berg Wacholder, aber wie bekommen wir das jetzt kleingemixt? Das war das erste Problem“, erzählt der Jung-Destillateur. Der gute alte Stabmixer kam da schnell an seine Grenzen. Überhaupt: Wer brennt in diesen Mengen guten Gin? Wo gibt’s so viele Gewürze? Und wo so viele Flaschen? Anfangs haben Sebastian Stanger und sein Kumpel die Kräuter noch per Hand abgezupft – bis sie erfahren, dass es die Zutaten auch schon fertig gezupft beim Gärtner gibt. „Um die Kappe des Verschlusses zu verschließen, haben wir am Anfang mit dem Toaster und dem Föhn experimentiert“, erzählt er. Bei 1000 Flaschen dauert das aber.

In einem Duzend Supermärkten und etlichen Bars und Restaurants gibt es mittlerweile den „Heckengäu-Gin“. Und der Produzent Sebastian Stanger, der hauptberuflich als promovierter Kaufmann bei Bosch arbeitet, ist über all dem zum Experten mutiert. „Zur Verkostung verwenden wir Grappa-Gläser, denn die Form ist für den Geschmack ganz wichtig“, erklärt er und packt auf einem Bänklein zwischen den Büchelberg-Wachholderbüschen seinen Tropfen aus. „Und nie mit Eis trinken“, sagt er, „mit Eis verschwindet viel Aroma.“

Zum großen Geschäft hat er es mit diesem hochprozentigen Nebenerwerb noch nicht geschafft. „Ziel war es, einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren“, sagt er und schmunzelt. „Nach zwei Jahren klappt es ganz gut – zelten müssen wir dabei nicht mehr.“