Ferrari enttäuscht in Spa auf ganzer Linie, Sebastian Vettel wird von den Gegnern gefressen – und Lewis Hamilton fährt seinem siebten WM-Titel mit Vollgas entgegen.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Francorchamps/Stuttgart - Kein Regen in den Ardennen. Die Piste von Spa-Francorchamps beim Großen Preis von Belgien blieb trocken, kein Regen-Roulette, kein Boxenstopp-Chaos – und so endete das Rennen in der Reihenfolge, wie es begonnen hatte. Lewis Hamilton, wieder einmal von der Pole-Position gestartet, hakte seinen 89. Grand-Prix-Sieg so unspektakulär ab wie einen Einkaufszettel, sein Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas verteidigte Platz zwei über die gesamten 44 Runden gegen Red-Bull-Fahrer Max Verstappen, der als Dritter die karierte Zielflagge gesehen hatte. Alles wie gewohnt in der Formel-1-Hierarchie: Mercedes triumphiert, Red Bull befindet sich in Schlagdistanz – und Ferrari unter ferner liefen.

 

Hamilton konnte es locker verschmerzen, dass ihm Daniel Ricciardo in der letzten Runde noch den Grand Slam vermasselte, weil ihm der Renault-Pilot aus Australien die schnellste Rennrunde abknöpfte. „Ich konnte das Rennen kontrollieren“, berichtete Hamilton, „erst am Ende musste ich auf meine Reifen aufpassen. Ich habe ziemlich viel Gummi verloren und war ein wenig nervös, weil ich an Silverstone denken musste.“ Bei seinem Heim-Grand-Prix Anfang August hätte der Brite beinahe den Sieg verloren, weil ihm in der letzten Runde ein ruinierter Reifen geplatzt war – in Belgien waren alle vier zwar arg ramponiert, aber sie blieben heil. Auch Bottas und Verstappen absolvierten die letzten Runden mit einer gesunden Portion Sensibilität am Gas- und Bremsfuß, weil auch deren Pneus ziemlich abgebaut hatten. „Es war ein bisschen langweilig“, meinte Verstappen, „wir konnten mit Mercedes nicht mithalten und gegen Rennende ging mir das Gummi aus, so dass ich nicht mehr angreifen konnte.“

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Im WM-Klassement baute Hamilton seinen Vorsprung aus, der Mercedes-Mann liegt mit 157 Punkten klar vor Verstappen (110) und Bottas (107). „Es mag nicht jedem gefallen“, sagte der sechsmalige Weltmeister, „dass Mercedes so klar vorausfährt, aber wir bleiben konzentriert – und ich fühle mich mit meinen bald 36 Jahren besser als je zuvor.“ Es sieht so aus, als sei es eine reine Formsache, dass sich der Engländer zum Jahresende den siebten WM-Titel holt und mit Rekordchampion Michael Schumacher gleichzieht. Eine weitere Bestmarke jagte Hamilton dem Kerpener bereits in Belgien ab – in der Rangliste der Führungskilometer liegt er nun auch schon vor dem Deutschen.

Dagegen präsentiert sich Ferrari schlechter als je zuvor. Sebastian Vettel kam als 13., Charles Leclerc als 14. ins Ziel – vor einem Jahr hatte das Ferrari-Duo noch die erste Startreihe gebildet und der Monegasse triumphiert, der Heppenheimer war hinter den Mercedes-Piloten Vierter geworden. Ferrari 2020 in Belgien: Schlimmer geht’s nimmer. „Im Rennen ging nichts“, räumte Vettel ein, „auf dieser Strecke ist auch Motorenleistung gefragt, und das hat uns natürlich hart getroffen.“

Der 33-Jährige kämpfte während des Grand Prix’ in Ostbelgien mit Autos um Positionen, die er noch im vergangenen Jahr leicht und lässig überrundet hatte – mit den Alpha-Tauri-Piloten, mit den Alfa-Romeo-Fahrern, mit den Haas-Chauffeuren. „Ich werde gefressen“, hatte Vettel frustriert über Funk gestöhnt, weil er immer weiter nach hinten durchgereicht worden war – am Ende lagen lediglich Leclerc, Romain Grosjean im Haas, Williams-Rookie Nicholas Latifi und Kevin Magnussen (Haas) noch hinter ihm. Selbst Haas-Teamchef Günther Steiner kam nicht umhin, die Ferrari-Leistung mit einer guten Portion Galgenhumor zu kommentieren. „Wir kämpfen mit Ferrari, das macht Spaß“, sagte der Südtiroler, „leider aber nur im hinteren Teil des Feldes.“

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Nicht nur die fehlende Leistung machte der Scuderia zu schaffen, auch mit den Reifen standen die Roten auf Kriegsfuß. Die Gummis kamen nicht auf die richtige Temperatur, die Haftung blieb mäßig. „Wir haben alles möglich probiert“, erklärte Vettel, „aber wir haben uns unglaublich schwer getan.“ Aber, das gab der Hesse ehrlich zu, Ferrari wäre auch ohne Reifenprobleme kaum weiter vorn gelandet. „Selbst Platz fünf ist für uns unerreichbar gewesen“, sagte Vettel.

Die Ferraristi tragen Trauer, und das vor den Heimspielen in Monza am nächsten Sonntag und in Mugello am 13. September. Eine Wunderheilung beim SF 1000, dem wenig konkurrenzfähigen Fahrzeug, ist in dieser kurzen Zeit ausgeschlossen. „Es wäre schön, wenn wir über Nacht den Stein der Weisen finden würden“, scherzte Vettel. Das klingt aber nicht nach der Formel 1, sondern mehr nach einem Märchen aus 1001 Nacht.