Politiker aus rund 100 Ländern sind in Peking, um das Projekt der neuen Seidenstraße voranzutreiben. Mit wachsender Kritik im In- und Ausland steigt die Bereitschaft Pekings zu Reformen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Peking - Die „Voice of America“, die Stimme Amerikas, ist der offizielle Auslandssender der USA. In ihrem Bericht über das am Donnerstag in Peking begonnene Treffen zur Seidenstraße heißt es, dass Deutschland lediglich Vertreter der „mittleren Kategorie“ in die chinesische Hauptstadt entsendet habe. Peter Altmeier (CDU) wird das nicht freuen – er ist der Mann Berlins vor Ort, und immerhin Wirtschaftsminister. Ganz falsch ist die Einordnung aber nicht. Fast 40 Staaten, darunter Italien, Österreich und die Schweiz haben ihre Staats-und Regierungschefs geschickt, ganz oben auf der Gästeliste steht Russlands Präsident Wladimir Putin.

 

Es ist eines der ganz großen Wirtschaftstreffen, mit Vertretern aus mehr als 100 Ländern. Zum zweiten Mal lädt Chinas Präsident Xi Jinping seine Gäste ein, um gemeinsam über das Projekt zu diskutieren, das er vor etwas mehr als fünf Jahren aus der Taufe gehoben hat. Nach Chinas Ansicht handelt es sich um ein Wirtschaftskonzept der Kooperation zum gegenteiligen Vorteil. Mehr als je zuvor wird es für den Staatschef und seine Mitarbeiter nun aber darum gehen, die wachsende Kritik an dem Mega-Projekt zu begegnen, das in Deutschland unter dem Titel „neue Seidenstraße“ bekannt ist, und international als „One belt one road“ (Obor) firmiert.

200 Milliarden Dollar sind in das Projekt geflossen

In den Auf- und Ausbau internationaler Handels- und Strukturwege hat Peking fünf Jahre nach der ersten Idee mehr als 2600 Projekte eingebunden; Schätzungen zufolge hat die chinesische Regierung bereits mehr als 200 Milliarden US-Dollar investiert. Straßen, Eisenbahnlinien, Häfen und Flughäfen sind über den halben Globus gebaut oder mit finanziert worden. Dass in den wilden Anfangsjahren praktisch alles, was auch nur im Entferntesten mit bilateralem Handel gerechtfertigt werden konnte, unter der Überschrift Obor lief, hat auch in China Kritiker auf den Plan gerufen. International wächst die Furcht, dass sich China Einfluss erkaufe, und seine Interessen rücksichtslos durchsetze, nachdem die Staaten von Peking abhängig sind.

Unmittelbar vor Beginn des Treffens ist ein Bericht bekannt geworden, der aufzeigt, was in den drei Tagen bis Samstag geschehen könnte. Ökonomen und ehemalige Politiker, die der chinesischen Regierung als Ratgeber zuarbeiten, empfehlen darin, die Initiative zu modifizieren. So sollen neue Finanzierungsquellen gesucht und den Partnerländern mehr Mitsprache eingeräumt werden, berichtet der britische „Guardian“. Laut der in Hongkong erscheinenden „South China Morning Post“ solle zudem die Initiative klar definieren und die Verwendung des Namens eingeschränkt werden. Wang Yiwei, Professor für Internationale Beziehungen an der renommierten Renmin Universität in Peking sagte dem „Guardian“, er erwarte auch ein geändertes Verhalten gegenüber den teilnehmenden Ländern. Peking werde erklären, dass die Regierung nicht die Führung der Initiative beanspruche. Man dürfe andere Länder nicht willkommen heißen, weil sie sich der Initiative anschlössen, sondern weil sie gleichberechtigte Partner seien. Hinter den neuen Worten stünde denn auch ein neuer Wille.

Deutsche Industrie zeigt sich zurückhaltend

Das müsste dem Bundesverband der Deutschen Industrie gefallen. Deutsche Unternehmen wollten sich an der Initiative beteiligen, sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang – fügt aber als Voraussetzung hinzu: „Wenn internationale Regeln und Standards bei der Auftragsvergabe und -durchführung eingehalten werden, die Projektfinanzierung nachhaltig ist und nach international geltenden Regeln geschieht.“ Auch international übliche Umwelt-, Sozial- und Sicherheitsstandards müssten beachtet werden.“ Auch Wirtschaftsminister Altmaier vertritt den Ansatz der bedingten Teilnahme.

Die USA haben keinen Vertreter nach Peking entsandt – und im Vorfeld zum Ausdruck gebracht, dass sie nichts dagegen hätten, wenn andere Staaten es ihnen gleich tun würden. Das hatte Peking kritisiert. Nicht nur Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hat den Ruf aus Washington ignoriert. Ihm wird der rote Teppich mit besonderer Freude ausgerollt. Italien ist das erste EU-Gründungsmitglied, das bei Obor mitmacht. Im März wurden die Verträge unterzeichnet, Kritiker befürchten, dass es China vor allem auf den Hafen von Triest abgesehen habe. Allen Warnungen zum Trotz wird auch der Schweizer Bundespräsident Ueli Maurer in Peking eine Erklärung unterzeichnen, die sein Land in das Projekt einbindet.