Die neue Seilbahn zur Zugspitze ist eingeweiht. In Garmisch-Partenkirchen ist man nicht nur stolz auf eine ingenieurtechnische Meisterleistung: Man hat auch den Kostenrahmen und den Zeitplan sehr genau eingehalten.

Zugspitze - D

 

er Kardinal hat sich eigens eine Brotzeit mitbringen lassen. Und ein Bier und „was Alkoholisches“. Man weiß ja nie, hat Reinhard Marx laut vor sich hingedacht und seine Leute erinnert an jenen 1. Dezember vor 55 Jahren. Damals wurde die erste große Seilbahn auf die Zugspitze eröffnet – und just die Jungferngondel blieb in der Luft hängen, mit allen Honoratioren drin, die bei solchen Zeremonien unentbehrlich sind, ein Münchner Weihbischof eingeschlossen. „Eingeschlossen“, das darf man wörtlich verstehen: denn zweieinhalb Stunden ging gar nichts mehr zwischen Himmel und Erde. Damals. Und das ohne Brotzeit!

Doch Marx scheint den Weihwasserwedel der kirchlichen Segnung diesmal fachkundiger geschwungen zu haben als sein geistlicher Vorgänger im Jahr 1962. Auch die ironische Anspielung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann auf die verspätungsreiche Premierenfahrt des neuen ICE zwischen Berlin und München vor zwei Wochen, die verduftete wie ein leichtes Wölkchen in der Gipfelsonne. Denn die Eröffnung der neuen Seilbahn auf Deutschlands höchsten Berg, die verlief am Donnerstag vollkommen makellos. Von Samstag an geht sie in den öffentlichen Betrieb. Das touristische Weihnachtsgeschäft, sagen sie in Garmisch-Partenkirchen, wollen sie schon noch mitnehmen, nach sechs Jahren Planungs- und Bauzeit.

Die Gondel ist voll verglast

Es ist eine Bahn mit dreifachem Weltrekord: Keine andere auf dem Globus überwindet in einer einzigen Trasse einen solchen Höhenunterschied: 1945 Meter. Keine andere fährt über ein freies Spannfeld von 3,2 Kilometern. Das liegt auch daran, dass die neue Zugspitzbahn auf ihren 4,6 Kilometern Gesamtlänge mit nur einem Mast als Zwischenstütze auskommt. Und dieser ist mit 127 Metern Höhe auch noch der Weltlängste seines Stammes.

In knapp zehn Minuten schnurrt die erste Seilbahn am Donnerstag nach oben. Und die voll verglaste Gondel – nur der Boden ist massiv – hält, was die Werbung verspricht: Dank beheizter Scheiben ist die Aussicht ungetrübt: auf den eisbedeckten Eibsee zuerst, dann durchs Höllental hinaus aufs Flachland in Richtung München; immer mehr weiße Gipfel tauchen aus den Wolken auf; immer steiler wird die zerklüftete Felswand vor der Gondel, dann gleitet diese mit einem Mal luftig über schroffe Grate – und schon schlüpft sie, fast ganz ohne zu ruckeln, in das vereiste Gehäuse der Bergstation, auf knapp 3000 Metern Höhe.

„Hätten wir im Voraus gewusst, was da auf uns zukommt, hätten wir mit der Baustelle wohl gar nicht angefangen“, hat Martin Hurm unlängst gesagt, der Betriebsleiter bei der Zugspitzbahn AG. Allein das Wetter in dieser Höhe, das sei „katastrofürchterlich“ gewesen, ergänzt einer der Südtiroler Stahlbauer. 2016 musste die Mannschaft praktisch jede Woche schneeschippen, teils mehrmals. Dabei mussten sie sich auch noch über Gerüste und Stahlträger hangeln, unter ihnen nichts, nur tausend Meter Abgrund und mehr. Und das auch noch – bis April diesen Jahres – unter laufendem Betrieb der alten Seilbahn, mit der man sich den Platz teilen musste, denn mehr Raum gibt der Gipfelgrat nicht her. Da ist man bei der Zugspitzbahn heilfroh, dass es „außer ein paar Blessuren“ keine Arbeitsunfälle gegeben hat. Nun gut: Der Baukran da oben, der mit dem Hubschrauber Stück für Stück hinaufgeflogen worden ist, der hat beim Drehen einmal das Gipfelkreuz touchiert. Aber auch das steht seit ein paar Wochen wieder, und das Blattgold glänzt wie nie zuvor.

60 Prozent der Touristen kommen im Sommer

21,3 Millionen Menschen hat die alte Seilbahn in ihrem halben Jahrhundert transportiert; etwa 550 000 Besucher zählt man zuletzt pro Jahr, an manchen Tagen drängen sich mehr als 3500 auf der Aussichtsterrasse – und während der dreijährigen, baubedingten Seilbahnpause waren es nicht viel weniger. Denn als Alternative ruckelt wie seit 1930 immer auch noch die gute alte Zahnradbahn zum Zugspitzplatt hinauf. Eine Dreiviertelstunde braucht sie; und weil in ihren bis zu vier Kilometer langen Tunneln kein Handy funktioniert, sind die sonst so vernetzten Touristen von heute vom Rest der Welt abgeschnitten.

Längst ist die Zugspitze zur „Ganzjahresdestination“ geworden; 60 Prozent der Touristen kommen mittlerweile im Sommer; im Gipfelrestaurant tagen Firmen, Banken, Versicherungen; auch die „Toten Hosen“ haben dort schon aufgespielt. Für christliche Gäste gibt es eine Kapelle, für muslimische einen Gebetsraum; arabische Touristen sind es auch, die sich auf dem Zugspitzplatt – der breiten, bis zum Klimawandel gletscherbedeckten Mulde unter dem Gipfel – am meisten an den Schneeresten erfreuen, die man dort im Sommer zu schlittentauglichen Haufen zusammenschiebt.

Und konnten die beiden Kabinen der alten Seilbahn nur jeweils 44 Personen fassen, so ist nun alles viel leistungsfähiger geworden. Jeweils 120 Personen passen in die neuen Gondeln; 580 Besucher schweben jetzt pro Stunde gen Gipfel, mehr als doppelt so viele wie bisher. Muss das sein, sind die Alpen nicht ohnehin schon übererschlossen? Das wird der Technik-Chef der Zugspitzbahn, Peter Huber, ausgerechnet bei der Eröffnungsfeier gefragt. Er schlägt sich gut mit der Antwort: „Ja, wir nützen ein Stück Natur. Aber wir kanalisieren die Besucherströme. Wir streuen die Menschen nicht in die Breite.“

Der Berg ist gut erforscht

Waghalsig ist die neue, von der Vorarlberger Firma Garaventa-Doppelmayr entworfene Konstruktion. Zweimal zwei Tragseile von je 150 Tonnen Gewicht tragen die Gondeln. Diese fahren damit, wie Peter Huber sagt, „wie auf Schienen“, und sollen selbst Seitenwinde von hundert Stundenkilometer verkraften. Die dreistöckige Bergstation aus Stahl und Glas, in der die Besucher auch freien Blick auf das gigantische Räderwerk der neuen Seilbahn haben, ragt 35 Meter frei über den Abgrund. Und weil der Gipfelgrat allein nicht genügend Halt bietet, schon gar nicht für die Seile, die von Norden hochziehen, wird deren Last in einer Betonbrücke auf die Südseite des Berges umgeleitet und dort mit Ankern gesichert, die mehr als 20 Meter tief im Fels versenkt sind. Und aufgerollt harren weitere 300 Tragseilmeter einer späteren Verwendung, denn alle zehn bis zwölf Jahre müssen sie von dort, wo sie über die Stütze laufen, ein paar Meter weitergezogen werden, um dem Verschleiß vorzubeugen.

Hält der Fels das alles aus? Ja, sagen sie auf der Zugspitze. So überwacht wie dieser Berg seit hundert Jahren sei wohl kein anderer in den deutschen Alpen. Und dann gibt’s dort oben auch noch die ehemalige Bergstation der Zahnradbahn, das Schneefernerhaus, in dem das Bayerische Umweltministerium heute eine Großforschungseinrichtung betreibt – zum Klimawandel vor allem und zum Permafrost im Besonderen, also zu dem „Kitt“, der die Berge bisher zusammenhält.

Die Bayern sind stolz auf die „Meisterleistung der Ingenieurkunst“

Dass der Berg „die nächsten hundert Jahre hält, also über die Betriebsdauer dieser Seilbahn hinaus“, dafür verbürgt sich bei der Einweihungsfeier auch der Geologe Heiner Bertle, der auch noch einen Exkurs zur Herkunft der Zugspitze los wird. Bertle nennt sie „eine spröde Schönheit aus Afrika“, denn der Kalkschlamm, aus dem sie geworden ist, sei genau dort vor 230 Millionen Jahren entstanden – zu Anfang der Saurierzeit – und dann mit der Kontinentalverschiebung nach Europa gelangt.

Aus diesem unscheinbaren Stoff sind in den Jahrmillionen danach auch die meisten Bergketten und Gipfel geworden, die die Besucher von der Aussichtsterrasse der Zugspitze bestaunen: in lichtem Blau, in ungehindertem Rundumblick. Und dieses „Meisterwerk der Natur“, davon sind sie bei der Zugspitzbahn überzeugt, haben sie nun mit einer „Meisterleistung der Ingenieurkunst“ bereichert. Und die Meisterleistung bestand nicht nur darin: Mit 50 Millionen Euro ist die zu den Stadtwerken von Garmisch-Partenkirchen gehörende Zugspitzbahn voll im geplanten Kostenrahmen geblieben. Und sogar der Einweihungstermin, vor vier Jahren schon geplant, wurde auf den Tag genau gehalten. „Das soll uns“, sagen sie stolz bei der Einweihung, „erst mal einer nachmachen.“