Wenn das keine Zäsur ist: Nach 187 Jahren verliert Deutschlands älteste Sektkellerei ihre Eigenständigkeit. Die Mehrheit an der Esslinger Kessler Sekt GmbH & Co. KG gehört künftig der italienischen Genossenschaft Cavit.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Esslingen - Wenn das keine Zäsur ist: Nach 187 Jahren verliert Deutschlands älteste Sektkellerei ihre Eigenständigkeit. Die Mehrheit an der Esslinger Kessler Sekt GmbH & Co. KG gehört künftig der italienischen Genossenschaft Cavit. Dennoch aber ist sich Christopher Baur sicher, künftig keine Befehle aus Italien zu erhalten. Der geschäftsführende Gesellschafter glaubt, dass die Genossenschaft aus Trento nicht hineinredet, wenn er seinen Sekt ausbaut und verkauft. „Wir haben die Verträge auf Augenhöhe geschlossen“, sagt Baur. Dies nicht nur, weil er selbst 41 Prozent der Anteile an dem Unternehmen behält; der Rest liegt bei einer Privatperson aus Stuttgart und Schweizer Investoren. „Wir hätten unseren Weg auch alleine gehen können“‘ meint er.

 

Weine aus dem Trentino, einer Gegend im Norden des Gardasees haben die Esslinger schon länger für ihren Sekt gekauft. Schon vor einiger Zeit sei dann Cavit „auf uns zugekommen“. Baur glaubt, der Verzicht auf die zumindest formale Eigenständigkeit biete die Chance, den Sekt, von dem schon der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer oder der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy gekostet haben, noch internationaler zu vermarkten: „Alleine hätten wir das nicht geschafft“, sagt der Miteigentümer.

"Wir kennen das Gebiet"

Kessler ist als Anbieter im hochpreisigen Segment in einer Nische tätig, zudem geht kaum etwas vom Sekt aus den Kellern unter der Esslinger Altstadt ins Ausland. Die neuen italienischen Eigentümer dagegen erzielen 75 Prozent ihres Umsatzes von 150 Millionen Euro jenseits ihrer Grenzen. Im Programm hat die Genossenschaft Cavit mit ihren mehr als 4500 Mitgliedern zwar auch etwas Sekt, vor allem aber Wein, der in den USA, aber auch in Nordeuropa oder Asien verkauft wird. Von dieser Präsenz will nun Kessler profitieren.

Die schwäbischen Sektmacher kaufen zwar auch einheimischen Riesling, doch auch die Winzer aus dem Trentino waren für Baur ein Grund, sich mit dem neuen Eigentümer zusammenzutun: „Wir kennen das Gebiet, wir können den Anbau kontrollieren“, sagt Baur. Und zudem sei die Versorgungssicherheit jetzt besser – immerhin werden pro Jahr eine Million Liter Wein eingekauft, der dann zu Sekt vergoren wird. Die Investoren haben immerhin soviel Geld mitgebracht, dass das seit vier Jahren wieder profitabel arbeitende Esslinger Unternehmen das Eigenkapital „um ein Vielfaches“ erhöhen konnte.

Umsatz von fünf Millionen Euro

Nun will Kessler wieder an bessere Zeiten knüpfen. Der Verkauf könnte dann von derzeit einer Million Flaschen auf zwei bis drei Millionen im Jahr steigen. Der Umsatz des Unternehmens mit seinen 30 Beschäftigten liegt bei fünf Millionen Euro. Damit gehört Kessler zwar zu den Zwergen auf Deutschlands Sektmarkt, dem wichtigsten weltweit. Im obersten Segment für das perlende Getränk aber so meint Baur, halte das Unternehmen einen Marktanteil von wenigstens zehn Prozent.

Der gebürtige Esslinger stellte schon einmal wichtige Weichen bei Kessler. Nach der Insolvenz 2004 hörte er eher zufällig von den Problemen des 1826 gegründeten Traditionsunternehmens, gab seine Stelle bei einem schweizerischen Handelsunternehmen auf und stieg als Gesellschafter bei Kessler ein. Bauer brachte auch gleich einige eidgenössische Investoren mit, die halfen, das Überleben zu sichern – das war entscheidend. Jetzt soll mit Geld aus Italien nicht nur der Sprung auf den Weltmarkt gewagt, sondern auch die Produktion in Esslingen, modernisiert werden.