In vielen Supermärkten ist nicht nur Toilettenpapier ausverkauft, sondern auch Hefe. Offenbar wollen viele, die zum Zuhausebleiben verdammt sind, selbst Brot backen. Doch wie macht man das ohne Hefe? Und muss es immer ein ganzer Würfel Hefe sein? Wir geben Antworten.

Stuttgart - In diesen Tagen ist nicht nur Klopapier in vielen Supermärkten zur Mangelware geworden – auch im Fach für Trockenhefe und im Kühlregal bei der Frischhefe herrscht oft gähnende Leere. Auch Mehl ist in manchen Läden nicht mehr zu bekommen, sogar viele Online-Shops sind ausverkauft. Die Grundzutaten für Brot im Haus zu haben ist offenbar für viele ähnlich beruhigend wie ein großer Klopapiervorrat.

 

Aber was tun, wenn man zwar Mehl, aber keine Hefe ergattert hat oder nur noch wenig Hefe da ist? Bei Kuchen und Torten ist das kein Problem, dafür nimmt man zumeist Backpulver. Schwieriger wird es bei Brot und Brötchen. Aber auch da gibt es eine einfache Lösung, die schon die alten Ägypter kannten: Sauerteig. Um den zu ziehen, braucht man nicht mehr als Wasser, Vollkornmehl, zwei große, saubere Gläser mit Verschluss, saubere Löffel und ein warmes Plätzchen. Aus Milchsäurebakterien und wilden Hefen, die überall in der Umgebung und auch auf der Schale von Getreidekörnern vorkommen, entsteht innerhalb weniger Tage ein Sauerteig, der mit etwas Übung sogar besseres, weil aromareicheres Gebäck hervorbringt als Industriehefe. Die Grundlage ist natürliche Fermentation.

Natürliche Fermentation ist das Zauberwort

Es gibt vielerlei Wege, zu einem Sauerteig zu kommen, aber der einfachste geht so: 50 Gramm Vollkornmehl (am besten Roggen, es geht aber auch Weizen oder Dinkel) mit der gleichen Menge etwa 40 Grad warmem Wasser gut vermischen und das Ganze etwa 24 Stunden lang lose abgedeckt an einem warmen Platz stehen lassen. Ideal sind 28 bis 30 Grad – zum Beispiel im Backofen mit angeschalteter Lampe oder auf dem WLAN-Router. Wichtig ist, ein ausreichend großes Gefäß zu verwenden, in dem sich das zu gären beginnende Mehl-Wasser-Gemisch ausdehnen kann. Ob und wie sehr sich der junge Sauerteig entwickelt, sieht man am besten, wenn man ein Gummiband an der Stelle um das Glas spannt, an der die frische Mischung endet. Nach 24 Stunden sollten sich erste Bläschen bilden. Nun erneut 50 Gramm Mehl und 50 Gramm warmes Wasser untermischen und das Ganze wieder 24 Stunden warm stellen. Am dritten Tag erneut nach der gleichen Methode füttern.

Einen Freund lässt man nicht verhungern

Spätestens nach 72 Stunden ändert sich der Rhythmus: Dann werden je 25 Gramm des jungen Sauerteigs entnommen und wird weiterhin mit je 50 Gramm 40 Grad warmem Wasser und Mehl gefüttert. Nun sollte das Gemisch bereits nach sechs bis acht Stunden von Blasen durchzogen sein. Spätestens, wenn der Sauerteig wieder einzufallen beginnt, ist es Zeit, ihn zu füttern. Nach etwa vier bis fünf solchen Auffrischungen ist der Sauerteig fertig. Dann ist es Zeit, ihn in den Kühlschrank zu stellen und nur noch einmal wöchentlich wie beschrieben aufzufrischen. Viele geben ihrem neuen Kühlschrankbewohner spätestens jetzt einen Namen: Einen Freund lässt man nicht so leicht verhungern.

Wirklich triebstark ist das junge Gemisch noch nicht, die Hilfe von ein wenig Hefe ist in den ersten Wochen meist noch nötig. In der Regel reicht ein Krümel davon. Was übrigens für die meisten Brot- und Brötchensorten gilt: ein Würfel Hefe auf 500 Gramm Mehl, wie es die meisten Rezepte vorsehen, ist zu viel. Mit wenig Hefe und langen Stehzeiten gelingen die Gebäcke genauso gut und sind besser verträglich, weil bestimmte Kohlenhydrate abgebaut werden, die oft zum Reizdarmsyndrom führen. Der Nebeneffekt: Niemand muss mehr Hefe horten.

Zusätzliche Infos

Rezepte mit wenig Hefe und mit Sauerteig findet man im Internet unter anderem auf der Seite des kenntnisreichen Hobbybäckers Lutz Geißler Ploetzblog.de. Wer keinen eigenen Sauerteig ziehen möchte, kann im Internet unter sauerteigboerse.de nach Gleichgesinnten suchen, die willens sind, etwas von ihrem Sauerteig abzugeben.

Über die Autorin

Wirtschaftsredakteurin Eva Drews bäckt seit Jahren Brot und pflegt zwei eigene Sauerteige. In ihrer Freizeit ist sie Moderatorin der Facebook-Gruppe Backen mit Freunden.