Nicht immer nur Weizen: Die Universität Stuttgart-Hohenheim wirbt damit, dass sich auch Urgetreide wie Emmer oder Einkorn eignen, um damit Plätzchen zu backen. Doch funktioniert das? Und wo bekommt man das alte Mehl her? Anja Widenmann hat einen Selbstversuch gewagt.

Filder - Alle Jahre wieder verwandelt sich bei uns zu Hause die Küche in eine Backstube. Während meine Mutter und meine Oma sich quasi duellieren, wer die schöneren „Bredla“ backen kann, war ich schon immer der klassische Mürbteig-Ausstecher-Typ. Der Grund: wenig Zutaten, einfaches Rezept, geringer Zeitaufwand und simpel in der Verarbeitung. Dabei wäre es wahrscheinlich auch geblieben, hätten meine Kollegen nicht die Idee gehabt, ich könnte doch einmal etwas Neues ausprobieren: Plätzchen aus Urkorn, also mit Mehl aus alten Getreidesorten wie Emmer, Dinkel und Einkorn.

 

Es ist schwierig, Emmermehl im Laden zu finden

Während ich dem Ganzen zunächst kritisch gegenüberstehe, ist meine Freundin Julia, eine angehende Ernährungswissenschaftlerin, sofort begeistert und will mitbacken. Sie erzählt mir alles, was sie über Urkorn weiß. Unterdessen frage ich mich: Woher bekommen wir das spezielle Mehl? Dinkel ist einfach, da es mittlerweile in fast jedem Supermarkt erhältlich ist. Anders ist es bei Emmer und Einkorn. Das finde ich zwar in Onlineshops – aber im Handel vor Ort? Also klappere ich Bio- und Naturkostläden ab. Im vierten finde ich dann endlich Emmermehl.

Meine Freundin Julia will Emmerplätzchen mit Urkornflocken backen. Ich hingegen würde lieber bei den klassischen Ausstecherle bleiben, aber eben mit Urkornmehl und Marmelade. Da wir uns nicht einig werden, backen wir halt beides. Schon nach kurzer Zeit das erste Problem. Während Julia den Teig knetet, sagt sie: „Er ist viel zu klebrig. Ich weiß nicht, wie wir daraus jemals Kugeln machen sollen.“ Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sich der Teig endlich formen lässt. Nun wandern die Plätzchenpioniere für einige Minuten in den Ofen.

Der Teig zerfällt in der Hand

Dann ist das zweite Rezept dran. Wieder mischen wir alle Zutaten der Reihe nach. Das zerbröselte Etwas, dass am Ende auf der Arbeitsfläche liegt, gleicht dabei aber eher dem Sandkuchen eines Dreijährigen als Weihnachtsgebäck. Egal wie sehr wir den Teig bearbeiten und kneten, er will einfach nicht wie wir und zerfällt schon in der Hand. Mit Müh’ und Not stechen wir trotzdem Plätzchen aus. Erleichtert, dass das Teigdrama vorbei ist, warten wir auf das Ende der Backzeit. Das Ergebnis wird noch ofenwarm probiert.

Beide Sorten habe einen nussigen und zugleich sehr fruchtigen Geschmack. Und ich muss zugeben: Die Emmer-Urkornflocken-Plätzchen sind derart lecker, dass ich eine Woche später gleich noch ein Blech davon backe. Mein Fazit: Urkornplätzchen sind nicht nur etwas für Ökos und Ernährungswissenschaftler, sondern auch für ganz normale „Bredla“-Bäcker.

Laut dem Experten hat Urkorn mehrere Vorteile

Urkorn eigne sich prima für die Weihnachtsbäckerei. So sagt es Friedrich Longin, Professor für Pflanzenzüchtung an der Universität Hohenheim; er beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Anbau und Vertrieb von Urkorn. „Für die Weihnachtsbäckerei ist die Urkornsorte völlig egal“, erklärt der Experte. „Man kann aus jedem Urkornmehl sehr einfach Plätzchen machen.“

Das liege vor allem an der Zusammensetzung des Weihnachtsgebäcks. Während Brot meist nur aus Wasser, Hefe, Mehl und Salz besteht, enthält Weihnachtsgebäck zudem Zucker und Butter. „Diese Zutaten bedingen die Festigkeit in Plätzchenteigen“, erläutert Longin. „Deshalb kann man Weizenmehl einfach durch Urkornmehl ersetzen.“ Bei Brot sieht das anders aus: Die Teige werden oft klebrig und flüssig, „man sollte aufpassen, dass der Teig nicht wegläuft“. Aber auch dafür gibt es einen Trick: „Einfach den Teig auseinanderziehen und die Enden nach innen umschlagen. Danach den Teig einmal wenden. Das Ganze dann zwei- bis dreimal während der Gehzeit wiederholen.“

Besonders für Familien mit Kindern geeignet

Urkorn biete viele Vorteile gegenüber gewöhnlichem Weizenmehl, sagt Longin. „Es ist vor allem positiv im Sinne der Agrodiversität, also dass verschiedene Sorten auf den Feldern sind und den Böden nicht einseitig die Nährstoffe erzogen werden.“ Zudem enthalte Urkorn im Vergleich zu Weizen doppelt so viele Mineral- und Ballaststoffe und andere Inhaltsstoffe, die für eine gesunde Ernährung wichtig seien. Gerade für Familien könne Urkorn eine gute Alternative sein: „Wenn ich meine Kinder nicht mit Vollkorn abschrecken will, kann ich Einkorn nehmen, da sieht man es nicht gleich.“

Auch kleinere Bäckereien und Müller sehen im Aufschwung des Urkorns eine Chance, weil sie sich auf diese Weise von der Industrieware abheben können. Dennoch warnt der Experte: „Beim Urkorn hat man weniger Anbau pro Fläche. Deshalb stellt das alte Getreide auch keine Lösung für die Welternährung dar, was ja oft behauptet wird.“