Anfangs war Reporter Dominic Berner etwas übermütig, weil er dachte, das Sportabzeichen erreiche man als fitter Mensch mit links. Er wurde eines Besseren belehrt, denn Fitness ist nicht alles. Viel mehr braucht es Technik, Wille und gute Tipps der anderen.

Man muss kein Superathlet sein, um das Sportabzeichen zu schaffen. Zwar sollte man eine gewisse Grundfitness mitbringen, doch viel wichtiger sind der Wille, das Durchhaltevermögen – und das gegenseitige Anfeuern in der Gruppe. Sich Tipps geben. Gemeinsam bestehen. Das klingt ein wenig kitschig, ist aber so. Zumindest habe ich das so empfunden, als ich vor Kurzem selbst an einer Abnahme der Turnerschaft Esslingen teilnahm. Ich bin 27 Jahre alt, Reporter und eigentlich ganz gut in Form. Und zugegeben: Als ich dieses Vorhaben in der Redaktionsrunde anpries, war ich etwas übermütig. Geplant war nämlich eine einzige Abnahme, in der ich mir leichten Schrittes, mit wehenden Haaren und trockener Stirn das goldene DOSB-Abzeichen sicherte. Es kam anders. Aus dem Plan wurden zwei Termine – und letztendlich Silber.

 

Die erste Berührung

Es klingt ein wenig wie Bundesjugendspiele für Erwachsene: Man trifft sich, um gemeinsam sportunterrichtsähnliche Übungen zu machen, die am Ende sportunterrichtsähnlich bewertet werden. Also bereitete ich mich sportunterrichtsähnlich nicht vor und dachte: Das wird schon gut gehen. Auf den Boden der Tatsachen wurde ich zurückgeholt, als ich an einem Mittwochabend auf der Tartanbahn des Georgii-Stadions am Jägerhaus in Esslingen stand und gebeten wurde, beim Seilspringen 15 Wiederholungen mit Doppelschlag zu zeigen. Doch der Reihe nach.

20 Minuten zuvor hatten sich etwa zwei Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichen Altersgruppen an dem Geräte- und Umkleidehäuschen neben der Tartanbahn versammelt. Einige von ihnen kannten sich bereits untereinander, andere kamen als Gruppe. Es dauerte aber auch nicht lange, bis man mit den ersten ins Gespräch kam. Unter den Freizeitsportlern waren einige, die bereits mehrere bicolore Abzeichen gesammelt haben. Ein bicolores Zeichen bekommt man für fünf bestandene Abzeichen, also auch nach dem zehnten, fünfzehnten und so weiter. Einer der Erfahrenen fragte mich, wie alt ich sei, und sagte: „So richtig Spaß macht das ab 40.“

Letzte Chance: Seilspringen

Ich merkte schnell, was er meinte. Die erste Disziplin, der Sprint, lief im wahrsten Sinne des Wortes okay. Kategorie Schnelligkeit, die erste von vieren war also abgehakt. Doch dann folgten die Übungen aus der Kategorie Koordination – nicht meine Stärke. Dass ich seit dem Sportabitur vor bald einem Jahrzehnt keinen Weitsprungkasten mehr von Nahem gesehen hatte, zeigte sich deutlich in meinen Ergebnissen.

Nach drei Versuchen lag ich vier Zentimeter unter der Bronzeweite. Ich hatte in dieser Disziplin also schon mal nicht bestanden. Zum Glück gab es aber noch andere Möglichkeiten, die Kategorie Koordination zu bestehen. Den Schleuderball zum Beispiel. Weil ich das aber noch nie zuvor gemacht hatte, untersagte mir einer der Prüfer, den Ball hammerwurfartig zu schleudern. Da gehöre Technik dazu, meinte er. Vermutlich war die Angst im Spiel, ich könnte zu früh loslassen und eine umstehende Person ausschalten. Wie will man so etwas auch einem Notarzt erklären?

Und das Werfen mit Kindersicherung, also stehend von unten raus schleudern, brachte keinen Erfolg. Auch die gut gemeinten Anfeuerungsrufe der anderen Teilnehmer änderten nichts daran. Die letzte Chance war also besagtes Seilspringen.

Bevor ich aber nun zum traurigsten Teil der Geschichte komme, zuerst vielleicht die positive Überraschung. Die erwartete mich nämlich in der Kategorie Kraft. „Den musst du hier so nehmen und seitlich dann so wegdrehen“, erklärte mir einer der erfahrenen Teilnehmer, wie man einen Medizinball am weitesten wirft. Und tatsächlich. Genau auf diese Weise klappte es auf Anhieb mit der Goldweite. Das war überraschend, denn im Vorfeld hatte ich dem Bereich Kraft eher skeptisch entgegengeblickt. Ausdauer war für mich als Laufsportbegeisterten kein Problem. Über die 3000 Meter erreichte ich Gold. Und alle, die ihre Ausdauereinheit schon abgeschlossen hatten, standen am Rande der Tartanbahn und feuerten die Leidenden an.

Klappe, die Zweite

Doch nun zum Seilspringen, das beendet war, bevor ich überhaupt begonnen hatte. Doppelsprung mit einem oder keinem Mal absetzen, stand in der Leistungstabelle. „Willst du das mal an der Seite kurz ausprobieren?“, wurde ich gefragt. Mit einem Springseil durfte ich also zwei-, dreimal Probe springen. Und siehe da, der Doppelsprung klappte. Ein einziges Mal und mit drei Zwischensprüngen. Ich hatte keine Chance. Das muss man üben.

Eine Woche später – selbes Stadion, andere Leute – versuchte ich mich abermals im Weitsprung und überbot die Bronzeweite. Während der Sportabzeichensaison hat man nämlich mehrere Versuche. Der Erfolg baute mich so sehr auf, dass ich mir gut vorstellen könnte, nächstes Jahr wieder mitzumachen. Mein Ehrgeiz ist zumindest geweckt.

Leistung ist aber nicht alles: Die Aussage, dass es erst ab 40 Spaß mache, hat sich als Unfug entpuppt. Viele der Teilnehmer erklärten mir, dass sie genau deshalb jedes Jahr aufs Neue mitmachen. Vielleicht ist aber an den Späßen was dran, dass die Abzeichen mit der Zeit goldener werden.

Das deutsche Sportabzeichen

Voraussetzungen
 Um das deutsche Sportabzeichen zu bestehen, müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mindestens eine Disziplin aus vier Kategorien absolvieren. Die Kategorien heißen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Welche Disziplinen zur Wahl stehen und welche Leistung erfüllt werden muss, gibt der Deutsche Olympische Sportbund in einer Tabelle vor. Dabei werden Geschlecht und Alter berücksichtigt. Außerdem muss man alle fünf Jahre nachweisen, dass man schwimmen kann.

Qual der Wahl
 Innerhalb der Kategorien kann man sich frei entscheiden, welche Disziplin man absolvieren möchte. So kann man zum Beispiel laufen oder Rad fahren. Die Abnahmen werden von Vereinen organisiert und mit Ehrenamtlichen ausgetragen.