In der Corona-Zeit hat sich das Leben in vielen Bereichen ins Internet verlagert. Manche macht das recht einsam. Zwei Männer aus Filderstadt wollen das ändern.

Filderstadt/Esslingen - Paul Schurr und Erhard Alber kennen sich nicht nur von früher aus dem Gemeinderat. Sie sind auch Facebook-Freunde. Selbstverständlich ist das nicht. Der Sielminger Paul Schurr ist 85 Jahre alt, sein virtueller und realer Bekannter aus Plattenhardt ist 67, dennoch sind beide recht fit auf ihren Smartphones. Erhard Alber kommuniziert per Whatsapp mit Angehörigen, und Paul Schurr weiß, wie er „mit Bild“ mit der Enkelin in Berlin telefonieren kann. E-Mails verschickt er auch. Das meiste hat er sich selbst beigebracht, „und wenn was ist, rufe ich“, immerhin habe er ja die Verwandtschaft im Haus. Paul Schurr weiß, dass er damit zu den Privilegierten gehört. „Es gibt so viele Leute, die sind allein“, sagt er. In manchen Altenheimen hätten die Bewohner nicht mal Festnetztelefone.

 

Nur 45 Prozent der über 70-Jährigen nutzen das Internet

Oma und Opa sind oft abgehängt. Jüngst zitierte unsere Zeitung eine Studie der Initiative D21, wonach 2019 nur 45 Prozent der über 70-Jährigen das Internet und sogar nur 24 Prozent mobile Angebote wie Handy-Apps genutzt haben.

Dabei geht gerade in der Corona-Zeit vieles nur noch online. Info-, Einkaufs- oder Vereinsangebote sind ins Netz verlegt. Ins Fildorado oder die Stuttgarter Freibäder kommt nur, wer sich zuvor im Internet eine Karte gekauft hat. Viele Betagte kriegen das allein nicht hin. „Wer keine Kinder in der Umgebung hat, ist schlecht dran – auch ohne Corona“, sagt Erhard Alber. Die Einsamkeit im Alter sei ein Grundproblem, die Pandemie habe es verschärft.

„Die alte Generation spricht eine andere Sprache“

Videotelefonie oder Chats könnten die Not teils lindern, glauben die beiden Männer. „Das ist keine Geschichte, die alles löst, aber man könnte kleine Schritte machen“, sagt Erhard Alber. Deswegen will das Duo seine Altersgenossen fit fürs Netz machen. Volkshochschulen und Schulen, etwa das Sillenbucher Geschwister-Scholl-Gymnasium, richten zwar immer wieder Kurse von Jungen für Senioren aus. Die Filderstädter haben aber einen anderen Ansatz. „Die alte Generation spricht eine andere Sprache“, sagt Erhard Alber, deswegen schwebt ihm vor, dass gleichaltrige Mentoren die Smartphone-Neulinge in Kleingruppen oder auch privat unter ihre Fittiche nehmen. Auf Augenhöhe. Passend dazu sagte die Altersforscherin Cordula Endter jüngst im Interview mit unserer Zeitung: „Digitalisierung ist nur dann etwas Gutes, wenn sie begleitet durchgeführt wird. Ältere Menschen müssen an Online-Medien langsam herangeführt und darin geschult werden.“

Erhard Alber will das Thema von zwei Seiten anpacken. Der Esslinger Kreisverband der Senioren-Union – er ist dort Sprecher – nimmt in einer Pressemitteilung den Kreis in die Pflicht. Ein Bürgertelefon des Landratsamtes könne man sich vorstellen. Die Alters-CDU will derweil unter Anleitung der Jungen Union Mentoren ausbilden. Vertieft werden müsste das Ganze aber in den Kommunen. „Das muss vor Ort passieren“, findet Paul Schurr. Grundsätzlich sei dies beim Seniorenrat gut aufgehoben, der wird jedoch in Filderstadt erst im Dezember gewählt. „Wir haben kein Mandat, aber wir können nicht bis Dezember warten“, sagt Erhard Alber.

Der Kurs an der Volkshochschule bringe wenig

Die Männer haben bei der Stadtverwaltung angeklopft. Der Bürgermeister Jens Theobaldt lobt die Ausbildung von Mentoren als gute und nachhaltige Lösung, verweist jedoch auf den kostenlosen Volkshochschulkurs „Kommunikation in Zeiten von Corona – verschiedene Chat- und Videotelefonie-Portale“. „Unsere derzeitigen Aktivitäten sehen jedoch eher eine Entwicklung im Rahmen des oben genannten Angebotes vor“, teilt er mit.

Lockerlassen werden die Senioren wohl nicht. Denn Erhard Alber hat es gleich ausprobiert. Der VHS-Kurs sei ausgebucht, und „die Anmeldung erfolgte über EDV, mit den entsprechenden Schwierigkeiten und gemurmelten Flüchen eines Amateurs“.