Der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer verabschiedet Martin Horn, den Sensationssieger der Oberbürgermeisterwahl in Freiburg. Dieser hatte noch nie ein politisches Amt.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Der Erfolg gibt ihm recht – und nebenbei auch Günther Oettinger. Der einstige Ministerpräsident Baden-Württembergs und heutige EU-Kommissar hatte es Martin Horn prophezeit: „Sie werden mal Bürgermeister.“ Nun wird Horn sogar Oberbürgermeister, dies nicht irgendwo, sondern in Freiburg. Sein Wahlsieg in der Hochburg der Grünen gegen den grünen Amtsinhaber Dieter Salomon gilt bundesweit als politische Sensation.

 

Der Auslöser des Erdrutsches steht im Foyer des Sindelfinger Rathauses und hört die Rede des Oberbürgermeisters Bernd Vöhringer zu seinem eigenen Abschied, eine Rede auf den „lieben Martin“. Vöhringer zählt jede Station aus dem Lebenslauf Horns auf und – selbstverständlich – dankt ihm für seine Arbeit. Allzu viele Verdienste hat der Gelobte im Rathaus noch nicht aufgeschichtet. Ohnehin ist er erst 33 Jahre alt und arbeitete erst seit Ende 2014 in Sindelfingen, als Koordinator des Europabüros, ein Amt, das sich die 64 000-Einwohner-Stadt nicht leisten müsste, aber kann. Der Höhepunkt von Horns Arbeit war die Organisation eines Jahrestreffens der deutsch-griechischen Gesellschaft.

Für den Wahlkampf war Horn von der Arbeit freigestellt

Formal war Horn dreieinhalb Jahre lang in der Verwaltung Sindelfingens angestellt, faktisch drei. Schon im Oktober 2017 hatte er gebeten, für den Wahlkampf freigestellt zu werden. Dass Vöhringer den Wunsch erfüllte, dürfte durchaus mit seinem Parteibuch zu tun haben. Dem Christdemokraten wird der Gedanke jedenfalls nicht missfallen haben, dass ein politischer Niemand aus seinem Rathaus ein grünes Urgestein aus dem Amt kegelt. Davon abgesehen, beteuert Vöhringer, dass Horn schon damals „ein feines Gespür für die Wechselstimmung in Freiburg“ gehabt habe.

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Zum Dank überreicht ihm das künftige Stadtoberhaupt einen Stadtplan von Freiburg samt einer Einladung in das beste Restaurant dort. Seine Mitarbeiterinnen im Europabüro verabschiedet Horn mit Küsschen auf die Wange, jedenfalls die jüngeren unter ihnen, selbstverständlich ebenfalls samt Geschenken. Seine Abschiedsrede ist eine Ansammlung von Anekdoten. Dieser junge Mann weiß Menschen zu gewinnen. Dies jedenfalls bescheinigt ihm Vöhringer gleich mehrfach.

Der Wahlsieger hatte noch nie ein politisches Amt

Eben darauf hatte Horn auch seinen Wahlkampf in Freiburg aufgebaut. „Ein Korn mit Horn“ lautete einer seiner Slogans. Der gebürtige Pfälzer sprach die Menschen an und hörte ihnen zu. Er versprach ihnen, gemeinsam mit allen Bürgern Politik machen zu wollen. Danach wälzte er die Wackersteine, die Unterlagen über kommunalpolitische Streitthemen oft genug zu sein scheinen. Der Wahlsieger hatte noch nie ein politisches Amt, es sei denn, man mag seine Mitgliedschaft bei Greenpeace so werten, er hat auch kein Parteibuch, aus Überzeugung, wie er betont. Was ihm im Wahlkampf den Vorteil verschaffte, dass die SPD und die FDP ihn gleichermaßen empfehlen konnten.

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Rathauschef in Freiburg zu sein „ist kein ganz einfaches Unterfangen“, sagt Vöhringer. Dies würde auch für Amtserfahrene gelten. Die Stadt zählt 230 000 Einwohner. Auch Salomon hatte sich bemüht, ihre Meinung zu erfragen und sie an Entscheidungen zu beteiligen. „Zukunftsstadt Freiburg“ hieß das Projekt. Im Gemeinderat sitzen acht Fraktionen oder Splittergruppen. Horn scheint sich all dessen durchaus bewusst. „Ich habe noch nie eine Gemeinderatssitzung geleitet, schon gar nicht 4700 Mitarbeiter“, sagt er. So viele zählt die Freiburger Verwaltung. „Es werden spannende Zeiten“, meint Horn.