Ob aus dem Nest gefallene Vogelbabys oder zugelaufene Streuner: für die Ehrenamtlichen des Tierschutzvereins ist immer etwas zu tun. Giesela Mayer ist dessen Vorsitzende – ehrenamtlich neben ihrer Arbeit in einem Kindergarten.

Ditzingen - Der Gedanke, rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen, ist für viele Leute eine Horrorvorstellung. Auch Giesela Mayer möchte das Handy, das sie oder ihre Kollegin Birgit Kordisch immer bei sich trägt, „manchmal abschaffen“, wenn es, wie an diesem Montagmorgen, munter klingelt. Ganz ernst gemeint ist das nicht: die Existenz des Telefons steht nicht zur Debatte – es ist das Notfallhandy des Ditzinger Tierschutzvereins, dessen Vorsitzende Mayer ist. Der Anrufer hat eine Katze in Heimerdingen gefunden. Was tun? Ab zum Tierarzt, rät Mayer – vielleicht sei das Tier gechippt, dann könne man die Besitzer ausfindig machen.

 

Die 53-Jährige und ihre ehrenamtlichen Kollegen sind oft die erste Anlaufstelle, wenn ein Tier gefunden wird. Oft betrifft das Katzen, aber auch Hunde, Kaninchen, Vögel, Igel oder Eichhörnchen. Jetzt, in der Ferienzeit, sind es viel mehr als sonst. „Vor allem Freigänger-Katzen laufen in den Ferien oft weg“, sagt Mayer. „Wenn die Besitzer im Urlaub sind und die Tiere von jemand anderem betreut werden, sind sie oft verzweifelt.“ Oder, auch das kommt bei älter werdenden Tieren immer häufiger vor: die Tiere sind dement und finden den Weg nach Hause nicht mehr. Geschätzte 70 Mal klingelt das Handy des Vereins im Monat, einmal in der Woche kommt nachts ein Notfallanruf. Mayer sagt: „Es tanzt und steppt an allen Ecken.“

Die Ehrenamtlichen des Tierschutzvereins verweisen, wenn möglich, in solchen Fällen an die richtige Anlaufstelle weiter. Bei Fundtieren ist eigentlich die Stadt zuständig. Nein sagt Giesela Mayer trotzdem nie, wenn sich jemand an sie wendet. „Wir geben jedem Tier eine Chance.“ Findet sich kein Besitzer, übernimmt der Verein das Tier „wenn es irgend geht“ auch selbst in Pflege. Viele der 200 Mitglieder bieten Tieren regelmäßig einen Platz auf Zeit.

Im Moment hat Giesela Mayer Pensionsgäste in Form von ein paar Kaninchen. Deren Besitzer sind in den Ferien. Die meisten Tiere, um die sich die Vereinsmitglieder kümmern, haben allerdings weder Herrchen noch Frauchen, sondern suchen danach.

Dem Verein geht es nicht darum, die Tiere so schnell wie möglich zu vermitteln. „Wir suchen nach einem Puzzleteil“, sagt Giesela Mayer. Wenn sie ein schlechtes Gefühl bei Interessenten habe, sage sie Nein. „Ich muss zu 100 Prozent einverstanden sein.“

Eines dieser Tiere ist Frunza. Die fünfjährige Mischlingshündin aus Rumänien darf an diesem Tag mit aufs Foto. Sie ziert sich, als es darum geht, auf den gelben Stuhl zu hopsen, der ihr designierter Platz für das Bild ist. Eigentlich lernt Frunza gerade, dass auf Stühle – und den Schoß des dort befindlichen Menschen – hopsen tabu ist.

Die mittelgroße braune Hündin ist bei Birgit Kordisch in Pflege, der zweiten Vorsitzenden des Vereins. Giesela Mayer liegt das Schicksal des Hundes am Herzen. Das ehemals ängstliche Tier, das vorher nie bei Menschen gelebt habe, entwickle sich gut, sagt Mayer: „Frunza wird klasse.“

Mayer hat neben den Kaninchen gerade auch noch Katzenjunge in Pflege. Der Raum im Keller, in dem sie herumtollen, und aus dem sie durch Fenster in den Garten schauen können, ist „immer belegt“. Wenn diese Kätzchen vermittelt sind, werden die Nachmieter nicht lange auf sich warten lassen. Auch die Kaninchenställe sind immer belegt. Zu den Bewohnern im Haus in der Uhlandstraße zählen auch Mayers eigene Tiere, der schwarze Cockerspaniel aus Rumänien Cocky, drei Katzen und eine Schildkröte. „Ich hatte immer Tiere“, sagt Mayer. „Ein Leben ohne Tiere könnte ich mir nicht vorstellen.“

Während andere Leute ihre Tiere in den Ferien bei der 53-Jährigen abgeben, ist bei ihr und ihrem Mann Urlaub zu einer Rarität geworden. Schlimm findet Mayer das nicht – zwar würde sie gern öfter verreisen, sich aber im Umkehrschluss nie gegen die Tiere entscheiden. „Ich habe 365 Tage im Jahr Party. Das ist mir wichtiger als drei Wochen Urlaub“, sagt sie und lacht. „Von Mallorca würde ich doch sowieso nur fünf Katzen mitbringen.“ Trotzdem: im Oktober will sie mit ihrem Mann wegfahren, vier oder fünf Tage. „Dann passen die Kinder auf die Tiere auf.“

Dass Giesela Mayer Vorsitzende des Tierschutzvereins ist, hat sich eher zufällig ergeben. Auf Nachfrage des früheren Vorsitzenden, Alfons Bräu, kam sie zunächst in den Beirat des Vereins. Als Bräu aufhörte, ergab sich ein Vakuum. „Mir war der Verein dann zu wichtig“, sagt Mayer, deshalb hat sie vor drei Jahren schließlich übernommen. Hätte sich niemand gefunden, wäre das möglicherweise das Ende des 1966 gegründeten Vereins gewesen.

Giesela Mayer macht die Arbeit Spaß, die sie neben ihrem Vollzeitjob im Kinderhaus Schloss macht. Zu viel sei es ihr aber nicht, sagt Mayer. „Durch den Beirat wird die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt, dadurch geht es leichter.“ Wenn sie 60 ist, in sieben Jahren also, soll Schluss sein mit dem Vorsitz beim Tierschutzverein. „Ich werde den Verein nicht am Sterbebett übergeben“, sagt sie.

Das Handy klingelt wieder. Es gibt Neuigkeiten von der Katze aus Heimerdingen: Sie hat ein Zuhause. „Aber die wurde schon vier Mal als Fundtier zum Tierarzt gebracht“, sagt Mayer – und plädiert dafür, dass jeder sein Tier chippen lässt. So lasse sich der Besitzer am schnellsten feststellen. Manche Tierhalter seien jedoch uneinsichtig. „Da habe ich dann so eine Wut im Bauch, und das sage ich denen dann auch.“