E-Autos sollen in den nächsten Jahren verstärkt auf die Straße kommen. Doch noch ist das Modellangebot gering und die Ladeinfrastruktur löchrig.

Stuttgart - Der Parkwächter am Frankfurter Flughafen sprüht vor guter Laune: „Wir haben schon einen Tesla aus dem 14. Stock geschoben, der hatte gar keinen Saft mehr!“, lächelt er die Frage nach der nächstgelegenen Schnellladesäule weg. Am größten deutschen Airport gibt es keine. Willkommen zurück im Elektroauto-Entwicklungsland!

 

Trösten können die aufbauend gemeinten Worte an einem feuchtkalten 7. Januar kaum. Irgendwann während der Urlaubstage haben Ladesäule und Renault Zoe in der Terminal-Garage ihre Verständigungsprobleme mit der endgültigen Trennung gelöst. Jetzt, um 6.30 Uhr, zeigt die Batterieanzeige des Stromers 40 statt erwarteter 250 Kilometer. Stuttgart liegt außer Reichweite.

Stromer versus Verbrenner

Wer sich für ein E-Auto entscheidet, für den ist eine gewisse Resilienz kein Nachteil. Das gilt schon beim Kauf. Der Stromer als Familien-Erstwagen, der den Verbrenner schmerzfrei ablöst? Ein grandioses Missverständnis, klärt uns der Händler einer weiß-blauen Marke auf. Als Zweitwagen für 35 000 Euro passe er auf Halbhöhe auch preislich in jene Garagen, in denen ansonsten propper ausgestattete Modelle den Shuttle zu Kita, Schule und Shopping übernehmen. Leasingratentechnisch sei man da pari – als Bonus erwerbe man ein beruhigtes Umweltgewissen.

Immerhin rund 30 000 E-Fahrzeuge könnten in Stuttgart als Zweitwagen lokal Luft- und Lärmbelastung dämpfen, 2312 sind es bislang (Stand 30. April). Laut Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sollen es bis 2030 im Land zwei Millionen werden. Angesichts eines Bestandes von 8,1 Millionen Fahrzeugen im Land und eines Durchschnittsalters von 9,4 Jahren müsste damit vom 1. Januar 2020 an jeder vierte Neuwagen als E-Auto auf die Straße rollen. Die Rechnung scheint unrealistisch.

Erst kommt die Oberklasse

Maues Angebot, hohe Preise, teils lange Lieferfristen und löchrige Ladeinfrastruktur – die deutschen Hersteller bedienten in Sachen E-Auto bisher jedes Vorurteil der Skeptiker. Doch sie geloben Besserung und versprechen für 2020 eine große Modelloffensive. Mit Milliarden-Investitionen haben sie in den Fabriken die Weiche von der Nischen- zur Großserienproduktion umgelegt. Noch einen Flop können sich die Hersteller nach der Dieselkrise kaum leisten. Betriebsräte auch bei Daimler drängen auf möglichst viel Eigenfertigung bis hin zur Batterie.

Oberklassemodelle zwischen 70 000 und 80 000 Euro wollen Audi (e-Tron), Mercedes (EQC) und Porsche (Taycan) schon bald ins Schaufenster stellen. Fahrzeuge, die sich kompatibel zu einem Mittelklasse-Geldbeutel zeigen, sind für Mitte 2020 angekündigt. „Bei den Elektroautos fehlt immer noch eine breite Angebotspalette“, rügt Roger Schäufele, Kreisvorsitzender der Kfz-Innung Stuttgart, die Modellpolitik. Und die Lieferzeiten sind teils enorm lang, zum Beispiel beim Kia e-Niro ein Jahr. Immerhin entwickelten sich bei den Hybrid-Pkw „langsam interessante Stückzahlen“, so Schäufele.

Langsamer Aufbau des Ladenetzes

Heute gibt es ein überschaubares Angebot an E-Autos, auch bei den ganz kleinen Wagen. Wer sich in der unteren Kategorie umtut, sollte in den Preislisten auf das Kleingedruckte achten, sonst könnte er sich wärmetechnisch in der automobilen Frühzeit wiederfinden. Heizungen waren damals kein Usus. Um es im Winter heimelig zu haben, sind im E-Auto beheizte Sitze ein empfehlenswertes Extra. Bei Smart gibt es zum Beispiel im Paket eine „erweiterte Innenraumisolation“, für den e.Go-Life aus Aachen eine teure Klimaautomatik, die auch eine stärkere Heizleistung bereitstellt. „Das erhöht den Komfort an sehr kalten Tagen“, wirbt der noch junge Hersteller.

Neben dem Modellangebot ist auch die Ladeinfrastruktur noch im Aufbau. In Stuttgart gibt es rund 200 öffentliche Stationen für Elektroautos. Bei in der Regel je zwei Anschlüssen und separaten Parkmöglichkeiten, ergeben sich rund 400 Steckdosen, die bis zu 22 Kilowattstunden pro Stunde liefern können und vier Schnelllader. Das bereits vor Jahren zur Einführung der Car2go-Mietwagenflotte aufgebaute Netz hat sich über Stationen in neuen Parkhäusern nur leicht verbessert. Der Betreiber EnBW räumt ein, dass es nicht zu den Gewinnbringern im Konzern zählt. Mit ein Grund, warum Bund und Land den flächendeckenden Aufbau mit Zuschüssen unterstützen.

Probleme bei Teileigentum

Wer sich für den eigenen Stellplatz in der Mehrfamilienhaus-Garage ein Kabel legen lassen will, den kann ein Bedenkenträger in der Eigentümerversammlung ausbremsen. Dabei, sagt Ulrich Wecker vom Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein, sei „die Immobilie der Schlüssel für den Erfolg“. Ein Gesetzentwurf zum erleichterten Anschluss blieb in der letzten Legislaturperiode liegen. Nun brütet eine Arbeitsgruppe darüber.

Viele Automobilisten, die mit dem Umstieg liebäugeln, beschäftigt auch die Frage nach dem Lebenszyklus der Batterien. Die Hersteller geben in der Regel Garantien von bis zu 160 000 Kilometern auf eine Mindestkapazität (um die 70 Prozent), Tesla je nach Modell von bis 192 000 Kilometern oder unbegrenzt. Schwächelt der Akku, soll er als stationärer Stromspeicher weitergenutzt werden. Erst dann folgt das Recycling. Daimler zum Beispiel hat im Juni 2018 genau 1920 Smart-Batterien in Elverlingen (Südwestfalen) zusammenschalten lassen. Es ist nach 2016 mit Anlagen in Lünen und Hannover der dritte Großspeicher, der Netzschwankungen ausgleichen soll.

Speicher können laut EnBW dort als Puffer verwendet werden, wo das Leitungsnetz bei starker Nachfrage schwächeln würde. Auch Flughäfen könnten sich so behelfen. Wer dort frühmorgens strandet, sucht am besten einen Discounter, von Frankfurt in Richtung Stuttgart zum Beispiel einen in Weiterstadt. Dort gibt es nicht nur Strom, sondern ab 7 Uhr auch Kaffee und Brötchen.