Großartige Erfolge, großartige Momente: Fellbachs Sportler(innen) haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erlebt. Wir wollen ihre Geschichte und ihre Geschichten wieder aufleben lassen. Heute: die Weitsprung-Talente des TSV Schmiden.

Schmiden - Der Ausflug vor fast genau zehn Jahren ins serbische Novi Sad hat sich für Anja Schulz gelohnt. „Es war ein tolles Erlebnis“, sagt die inzwischen 29-Jährige. Als erste und bisher einzige Weitspringerin des TSV Schmiden hatte sie sich für die U-20-Europameisterschaften qualifiziert. „Die ersten zwei Plätze waren vorneweg schon vergeben“, erinnert sich die angehende Steuerberaterin.

 

Ein Zentimeter mehr als die wenige Wochen zuvor aufgestellte persönliche Bestmarke

Die Russin Darya Klishina und die Serbin Ivana Spanovic holten in dieser Reihenfolge Gold und Silber. Als in Novi Sad lebende Lokalmatadorin löste Ivana Spanovic zudem gute Stimmung aus unter den Zuschauern im brütend heißen Stadion. „Es war wie im Tunnel“, sagt Anja Schulz rückblickend, die sich voll auf den Wettkampf konzentriert hat. Trotz eines nach dem Finaleinzug erreichten siebten Platzes und einer Weite von 6,11 Meter fällt die sportliche Eigenbewertung ihrer Leistung gemischt aus: „Ich habe in den Wettkampf nicht reingefunden.“ Ein Zentimeter mehr als die wenige Wochen zuvor aufgestellte persönliche Bestmarke von 6,28 Meter hätte zur Bronzemedaille gereicht. Unbestritten jedoch handelt es sich bei der an der Seite des damaligen Landestrainers Tamas Kiss erreichten Platzierung um einen der größten Erfolge der TSV-Leichtathletikabteilung. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass speziell die Schmidener Weitspringer des TSV Schmiden in den Jahren von 1991 bis 2010 beständig Erfolge erzielten.

Nach dem weiten Satz von Kai Vetter hat Thomas Koch die Sandgrube gestürmt

Kai Vetter, der Sohn des damaligen Abteilungsleiters Roland Vetter und später im Triathlon erfolgreiche Multisportler, war 1991 der erste Sieben-Meter-Springer des TSV Schmiden. „Das ist eine Weite, die im Weitsprung von Niveau zeugt“, sagt Günter Hartmann. Das 83-jährige Leichtathletik-Urgestein hat – auch, aber nicht nur – die Weitspringer der Abteilung zu bemerkenswerten sportlichen Erfolgen geführt.

Nach dem weiten Satz von Kai Vetter hat Thomas Koch die Sandgrube gestürmt. „Er ist 1991 zu mir in die B-Jugend gekommen“, sagt Günter Hartmann. „Er war für mich der vielseitigste Athlet.“ Und das größte Talent, das die TSV-Leichtathleten während der vergangenen Jahrzehnte in ihren Reihen gehabt haben dürften. Trainingsgefährten erinnern sich an die beeindruckende Physis, die der Modellathlet schon als 15-Jähriger hatte. Als B-Jugendlicher gewann er bei den württembergischen Meisterschaften im Zehnkampf Gold. Schnell zeichnete sich jedoch sein herausragendes Talent für den Weitsprung ab, weshalb ihn neben Günter Hartmann als Heimtrainer auch der Landestrainer Günther Rapp betreute. Mühen, die sich schnell auszeichneten, denn Thomas Koch errang bereits 1993 bei den deutschen Meisterschaften der B-Jugendlichen seinen ersten Vizetitel.

Teilweise parallel zu Thomas Koch gelangen Simone Schietinger bei den Jugendlichen Erfolge

In der Folge wurde er in den Bundeskader berufen und durfte im gleichen Jahr bei einem Länderkampf gegen Russland starten. Zügig pulverisierte er den Vereinsrekord von Kai Vetter und steigerte die Marke 1995 bei den deutschen Juniorenmeisterschaften auf 7,57 Meter. „Das war sein bestes Jahr“, sagt Günter Hartmann. Bereits 1996, also vor für Thomas Koch durchaus möglichen großen Erfolgen bei den Erwachsenen, reichte er seinen Abschied von der Leichtathletik ein. „Ich will in meinem Leben noch etwas anderes sehen und erleben“, sagte Thomas Koch damals. Wie groß sein Talent war, zeigte eine Episode, die sich ein halbes Jahrzehnt nach seinem Karriereende zutrug. Nach nur wenigen Monaten Training landete er bei den baden-württembergischen Meisterschaften auf dem vierten Platz – mit 7,31 Meter.

Teilweise parallel zu Thomas Koch gelangen Simone Schietinger bei den Jugendlichen Erfolge.

Mitte der 1990er Jahre vertraten Sebastian Fichter und Elke Fankhauser den TSV Schmiden

Vom TV Stetten zum TSV Schmiden gewechselt, wurde sie 1995 baden-württembergische Jugend-Hallenmeisterin im Weitsprung. Mit einer Bestleistung von 5,98 Meter blieb sie zwar knapp unter der Sechs-Meter-Marke, qualifizierte sich aber immerhin für die deutschen Jugendmeisterschaften. 1997 verabschiedete sie sich von der Leichtathletik.

Mitte der 1990er Jahre vertraten zudem Sebastian Fichter und die von der TSG Backnang nach Schmiden gewechselte 6,18-Meter-Springerin Elke Fankhauser als Weitspringer den TSV Schmiden bei zahlreichen Wettkämpfen. „Am Anfang hat den TSV Schmiden niemand gekannt. Das hat sich bald geändert“, sagt Günter Hartmann, der auch dieses Duo fachkundig betreut hat. Der aus der eigenen Schülerklasse aufgestiegene Sebastian Fichter schaffte es gar, den Vereinsrekord von Thomas Koch 1998 um einen Zentimeter auf 7,58 Meter zu steigern. Nach seiner Laufbahn machte er den Nachfolgern als Trainer schnelle Beine und engagierte sich als Jugendleiter beim TSV Schmiden.

Seit dem Karriereende der nach dem Studienabschluss in die Freizeitgruppe der TSV-Leichtathleten eingestiegenen Anja Schulz haben weniger Weitsprung-Spezialisten als vielmehr Ausdauersportler wie Hannah Müller oder derzeit Matteo Stauß sowie Mehrkämpfer wie Nils Merten, sein Nachfolger Joshua Stallbaum und etliche weitere Athleten Erfolge eingeheimst. Platz sieben bei kontinentalen Titelkämpfen, so wie Anja Schulz vor zehn Jahren, hat bisher jedoch kein Schmidener Leichtathlet mehr erreicht.