Meral Yilmaz ist vor 15 Jahren die erste Migrantin beim Sindelfinger DRK gewesen. Der Sanitätsdienst war für die Frau, die damals bereits ein Vierteljahrhundert in Deutschland lebte, der Türöffner zur deutschen Gesellschaft.

Sindelfingen - Bei den Einsätzen des Roten Kreuzes im Kreis Böblingen fällt sie auf: die kleine zierliche Frau in Rot-Kreuz- Uniform und mit Kopftuch, die sie als fromme Muslima identifiziert. Für ihre Sanitäterkollegen ist dies schon lange ein gewohntes Bild. Seit 15 Jahren gehört Meral Yilmaz zum festen Stamm der Sindelfinger Rot-Kreuz-Mannschaft.

 

Sie war die erste Migrantin beim Sindelfinger DRK. 1999 marschierte die damals 44-Jährige einfach in die DRK-Zentrale hinein, zum Bereitschaftsabend, unterm Arm eine Zeitung, in der das Rote Kreuz um neue Mitglieder warb. Obwohl sie nur wenig Deutsch konnte, fühlte sich Meral Yilmaz davon sofort angesprochen. Ihre vier Kinder waren flügge und sie suchte Anschluss und eine sinnvolle Beschäftigung.

Meral Yilmaz gehört zu den Top ten beim DRK

Ein Vierteljahrhundert lebte Yilmaz damals bereits in Sindelfingen, doch Kontakte zu Deutschen hatte sie kaum, sie bewegte sich überwiegend in der türkischen Gemeinschaft. Das änderte sich mit dem Beitritt zum Roten Kreuz schnell. Yilmaz machte die Sanitätshelferausbildung und ist seither bei vielen Einsätzen dabei. „Meral gehört zu unseren Top ten“, sagt Birgit Bux, die Bereitschaftsleiterin. 222 Stunden ehrenamtlichen Sanitätsdienst hat die 59-Jährige im vergangenen Jahr abgeleistet, hinzu kommen Fortbildungen, Bereitschaftsabende und Aktionen auf Festen.

Die Muslimin Yilmaz kennt keine Berührungsängste. Betrunkenen im Fasching leistet sie genauso Hilfe wie jungen verletzten Männern beim Taekwondo-Turnier. Sie ist bei schlimmen Bränden genauso am Ort wie bei Großveranstaltungen wie dem Internationalen Straßenfest. Regelmäßig ist sie auch bei Einsätzen bei VfB-Heimspielen in der Mercedes-Benz-Arena dabei – obwohl sie selbst sich für Fußball nicht interessiert. Ihre lückenhaften Sprachkenntnisse macht die 59-Jährige wett durch ihr großes Herz und ihr stets freundliches Lächeln. „Die Leute brauchen Hilfe, und ich helfe gerne“, begründet sie ihr Engagement.

Die Mitarbeit im Roten Kreuz war für Meral Yilmaz der Türöffner zur deutschen Gesellschaft. Längst ist sie fest integriert in Sindelfingen und bestens vernetzt. Sie arbeitet im ehrenamtlichen Hospizdienst mit, und sie gehörte zur Theatergruppe der Sindelfinger Bürgerstiftung, die mit ihrem Projekt „Alte Koffer, neue Träume“ beim Ideenwettbewerb der Herbert-Quandt-Stiftung im vergangenen Jahr siegte. Meral Yilmaz selbst erhielt für ihr Engagement die silberne Ehrennadel der Stadt Sindelfingen.

Das Rote Kreuz als zweite Familie

Gute Kontakte pflegt sie sie auch zur türkischen Community – und hat schon die eine oder andere Landsfrau fürs Rote Kreuz gewonnen. So Filiz Karabulat, die nun auch mitmischt. Die jugendlich wirkende 35-jährige Mutter dreier Kinder kam vor 17 Jahren aus der Türkei nach Sindelfingen. Doch bisher hatte sie kaum Kontakt zu Deutschen, spricht nur wenig Deutsch. „Meine Nachbarn sind alles Türken“, sagt sie. Mit offenen Armen sei sie beim DRK aufgenommen worden. „Das Rote Kreuz ist wie meine Familie.“

15 Jahre nachdem mit ,Meral Yilmaz die erste Migrantin zum DRK kam, ist die Sindelfinger Truppe heute bunt gemischt. Wie viele der 85 Helfer Migrationshintergrund haben, kann die Chefin Birgit Bux nicht beziffern. „Wir haben Türken, Kroaten, Sizilianer, eine Ägypterin.“

Ganz bewusst setze das Rote Kreuz auf solch interkulturelle Teams, sagt Wolfgang Heubach, der Pressesprecher des DRK-Kreisverbands. „Immerhin sind wir eine internationale Organisation Rotes Kreuz/Roter Halbmond.“„ Für die Arbeit sei diese Vielfalt in der Truppe nur von Vorteil, sagt Birgit Bux: „Bei Veranstaltungen wie dem Internationalen Straßenfest oder Sportwettkämpfen haben wir für fast jeden den passenden Sanitäter.“

Theater verbindet

Sport verbindet – über Generationen, Schichten, Religionen und Ethnien. Deshalb fallen den meisten beim Stichwort Integration als erstes Sportvereine ein – wo ja das Zusammenleben zumeist auch gut funktioniert. Doch auch die Kultur kann als Brücke dienen. Dies beweisen die Sindelfinger Theatermacher Ulrich und Annette von der Mülbe. Zwei spektakuläre Theaterprojekte haben sie in den vergangenen Jahren in der Stadt umgesetzt – jeweils mit Laienschauspielern aller Generationen und unterschiedlichster Herkunft. Für ihr Projekt „Alte Koffer, neue Träume“, das sie im Auftrag der Bürgerstiftung umsetzten, wurde ihre multikulturelle Gruppe im vergangenen Jahr Sieger beim bundesweiten Ideenwettbewerb der Quandt-Stiftung. Thema war die Geschichte der Gastarbeiter und deren Kinder. Ähnlich war die Thematik des Stadtmusicals „Sirenen der Heimat“. Die Geschichte um den Sohn eines italienischen Eissalonbetreibers, der sich in die Tochter des Sindelfinger Baulöwen verliebt, wurde von 200 Schauspielern und Musikern aus Sindelfingen und Umgebung aufgeführt. Viele standen zum ersten Mal in ihrem Leben auf einer Bühne – so der Daimler-Arbeiter Francesco Frazetta, der sich selbst zu spielen schien- so authentisch wirkte er.

Von der Mülbe ist überzeugt, dass solche Projekte zur Integration beitragen, „wenn sich dabei alle Akteure auf Augenhöhe begegnen“. Der Kern seiner Arbeit ist stets das Sammeln von persönlichen Erfahrungen, die die Mitwirkenden einbringen und die gleichwertig nebeneinander stehen. Im jüngsten Projekt geht es um Märchen. Familien aus der Stadt haben Märchen ihres Kulturkreise für ein Sindelfinger Märchenbuch gesammelt.