Als Psychiater treffen Jason Segel und Harrison Ford in der tragikomischen Serie „Shrinking“ aufeinander, die jetzt bei Apple TV+ gestartet ist.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Jimmy Laird ist nicht die Sorte Mann, die man als Nachbarn haben möchte, weil er gerne mal mit ein paar Callgirls um 3 Uhr nachts eine Poolparty feiert, während aus den Boxen Billy Joels „Angry Young Man“ dröhnt. Jimmy Laird ist nicht die Sorte Mann, die man gerne als Vater hat, weil er so sehr von der Trauer über den Tod seiner Frau zerfressen wird, dass er immer wieder vergisst, dass er eine pubertierende Tochter namens Alice hat, die ihn jetzt dringender als irgendwann sonst brauchen würde. Und Jimmy Laird ist nicht die Sorte Mann, die man gerne als Psychotherapeuten haben möchte, weil jemand der sein Leben so wenig im Griff hat, wohl kaum geeignet ist, anderen zu helfen. Oder vielleicht doch?

 

Jason Segel ist Autor, Produzent und Hauptdarsteller

Die Serie „Shrinking“, die an diesem Freitag beim Streamingdienst Apple TV+ gestartet ist, erzählt die Geschichte von Jimmy Laird, den man schnell ins Herz schließt – trotz all seiner Unzulänglichkeiten. Man verzeiht ihm, dass er auch mal zwischendurch einnickt, wenn einer seiner neurotischen Patienten nicht aufhören kann, jedes Detail seines ereignislosen Lebens vor ihm auszubreiten. Man verzeiht ihm, dass er die Geduld verliert, wenn ihm eine Patientin erzählt, dass ihr Mann sie liebe, weil er ihr zwar gesagt habe, dass sie dumm sei, aber trotzdem ihre Brüste gelobt habe. Man verzeiht ihm, dass er ans Handy geht, während ein Patient gerade dabei ist, sich ihm gegenüber zu öffnen. Und man verzeiht ihm all die unorthodoxen, unprofessionellen und unethischen Ratschläge, die er seinen Patienten gibt. Denn es stellt sich heraus, dass viele dieser Tipps tatsächlich nützlich sind. „Ich glaube, ich kann Menschen wirklich helfen, wenn ich bereit bin, meine Hände ein bisschen schmutzig zu machen“, stellt er fest und beschließt, eine Art psychologische Bürgerwehr zu werden.

Jason Segel, der nicht nur Jimmy spielt, sondern auch Autor, Produzent und Showrunner der Serie ist, hat Erfahrung mit solchen Typen. Tatsächlich kennt man ihn eigentlich nur in der Rolle des merkwürdigen, manchmal etwas anstrengenden, aber immer irgendwie liebenswerten und im Herzen gütigen Sonderlings.

Die erste große Serienrolle Harrison Ford

Bevor Segel in der Erfolgs-Sitcom „How I met your Mother“ neun Staffeln lang Marshall Eriksen war, spielte er in der großartigen Serie „Freaks and Geeks“ einen schüchternen Highschool-Stoner, der von der Band Rush besessen ist. Er hat sich in der von ihm selbst geschriebenen bizarren Dramedyserie „Dispatches from Elsewhere“ auf Sinnsuche begeben. Und nun ist er in „Shrinking“ eben der exzentrische Psychiater Jimmy Laird – und bekommt es da mit Harrison Ford zu tun.

Das ist einigermaßen erstaunlich: Ford hat zwar zu Beginn seiner Karriere einige Gastauftritte in Serien wie „Die Leute von der Shiloh Ranch“, „Rauchende Colts“ oder „Kung Fu“ gehabt, bis vor Kurzem aber ließ er das goldene Zeitalter der TV-Serien unbeeindruckt an sich vorbeiziehen. Nun ist er endlich nicht nur der Hauptdarsteller in der Westernserie „1923“, die in Deutschland noch nicht gestartet ist, sondern hat eben auch eine entscheidende Rolle in „Shrinking“.

Ein seltsames Paar

Tatsächlich erweist sich das Aufeinandertreffen von Jason Segel und Harrison Ford als ein großer Glücksfall für das Serienfernsehen. Ford ist Dr. Paul Rhodes, Jimmys Chef am Rhodes Cognitive Behavioral Therapy Center. Segel ist der tollpatschig-hilflose Chaot, der immer zu lächeln versucht, auch wenn ihm eigentlich zum Heulen ist. Ford ist der knurrige, wortkarge Boss, der nicht will, dass jemand merkt, dass er eigentlich ein ganz netter Kerl ist. Die beiden sind als seltsames Paar das Herz dieses Zehnteilers, den sich Segel zusammen mit Brett Goldstein („Ted Lasso“) und Bill Lawrence („Scrubs“) ausgedacht hat: eine Serie, die ein wunderbares Gespür für die tragikomischen Momente des Lebens hat.

Da ist etwa die Beziehung, die Jimmy zu Sean (Luke Tennie) aufbaut, der nach einigen Prügeleien verpflichtet ist, Aggressionsbewältigungskurse zu absolvieren. Nach ersten Schwierigkeiten fassen die beiden zwischen C.-G.-Jung-Zitaten, Kickboxing-Lektionen und Ice-Cube-Anspielungen Vertrauen zueinander.

Der therapierte Therapeut

Und da ist natürlich Jimmys eigenes Trauma. So sehr er den Verlust seiner Frau zu verdrängen versucht, sosehr wirft ihn die Erinnerung immer wieder unvorbereitet aus der Bahn. Und am Ende sind es letztlich seine Patienten, die Jimmy helfen, sich selbst zu therapieren.

Shrinking. Die zehnteilige Serie ist an diesem Freitag bei Apple TV+ gestartet. Die ersten beiden Episoden sind bereits verfügbar.

TV-Serien mit Jason Segel und Harrison Ford

Freak and Geeks (1999–2000)
Dass es die unerhört witzige, schlaue und mit viel 80s-Schick aufgehübschte Coming-of-Age-Serie mit Linda Cardellini, James Franco, Jason Segel und Seth Rogen nur auf 18 Episoden gebracht hat, ist eine der großen Gemeinheiten der Fernsehgeschichte.

How I met your Mother (2005–2014)
Die Sitcom, die letztlich ein „Friends“-Abklatsch war, machte Jason Segel zum Star.

Dispatches from Elsewhere (2020)
 Skurril-surrealer Selbstfindungstrip von und mit Jason Segel.

1923 (seit 2022)
 Die Westernserie, die ein Spin-off von „1883“ und ein Prequel von „Yellowstone“ ist, ist im Dezember 2022 in den USA gestartet. Wann die Serie, in der Harrison Ford und Helen Mirren die Hauptrollen spielen, nach Deutschland kommt, ist noch nicht bekannt.