Die einen treiben es wild, die anderen nur äußerst selten. Sex im Tierreich ist zudem reich an bizarren Praktiken. Nur warum verschmelzen Tiefsee-Anglerfische miteinander – und haben Schweine wirklich 30-minütige Orgasmen? Wir haben nachgefragt.

Stuttgart - Monogamie ist die Ausnahme, Gewalt die Regel: Wenn sich Tiere paaren, geht es oft ruppig zu. Auch an skurrilen Praktiken mangelt es im Tierreich nicht – zumindest aus menschlicher Sicht, ergibt in der Natur doch meist alles einen Sinn. Doch warum paaren sich Löwen bis zu 40-mal am Tag, Panda-Bären dagegen nur äußerst selten? Und stimmt es, dass der Orgasmus einer Sau 30 Minuten dauert?

 

Für immer vereint

Der Tiefseeanglerfisch ist eine treue Seele. Treffen zwei Tiere aufeinander, hängt sich das deutlich kleinere Männchen an das Weibchen und verwächst mit ihm. Haut und Blutkreislauf verschmelzen, das Männchen hängt also komplett vom Weibchen ab und liefert bei Bedarf Spermien. Manchmal hängen sogar mehrere Männchen an einem Weibchen. Nur warum? „Genau wissen wir das nicht“, sagt Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg. „Vielleicht liegt es daran, dass die Chance, sich in diesem Lebensraum zu treffen, relativ gering ist. Wenn man sich mal gefunden hat, lässt man sich nicht mehr los.“ Denn der Lebensraum der Tiere liegt, wie es der Name schon zart andeutet, in 300 bis 4000 Meter Tiefe. Dementsprechend wenig ist über die wegen ihres großen Mauls und der spitzen Zähne gerne als „Urzeit-Monster“ bezeichneten Fische bekannt.

Schwein gehabt?

Der Orgasmus einer Sau dauert 30 Minuten. Heißt es. „Das ist ein Ammenmärchen“, sagt der Tübinger Diplomagraringenieur und Experte für Schweinehaltung, Rudolf Wiedmann, „vielleicht aber auch eine Wunschvorstellung der Menschen“. Zwar veranstalte der Eber ein ausgeprägtes Vorspiel – etwa im Vergleich zum Bullen, der nach ein oder zwei Stößen bereits fertig sei. Aber der Fortpflanzungsakt dauere nicht länger als zehn Minuten, der Orgasmus selbst vielleicht eine Minute. „30 Minuten wären aus Evolutionsgründen auch viel zu lang. Das muss ja schnell gehen, vielleicht taucht inzwischen irgendein Raubtier auf.“

Alles muss raus!

Das Liebesspiel der Libellen grenzt an Akrobatik. Fast noch verblüffender ist, dass viele Arten vor dem Geschlechtsverkehr die Spermien der Konkurrenz entfernen oder die Weibchen dazu bringen, diese auszuscheiden. Erst dann werden die eigenen Spermien eingeführt. Um die Hinterlassenschaften der Konkurrenz zu beseitigen, verfügen die Männchen über ein spezielles Organ. „Mit Haaren, Borsten und einer Art Spatel. Fast wie ein Schweizer Taschenmesser aufgebaut“, erklärt Klaus Reinhold, Biologe an der Universität Bielefeld. Der Grund für das Verhalten ist simpel: „Die Wahrscheinlichkeit der eigenen Vaterschaft wird erhöht.“

Permanente Paarung

Löwen treiben es wild – und vor allem oft. Ist die Löwin rollig, paaren sich die Tiere bis zu 40-mal am Tag – und das tagelang. Die permanente Paarung soll die Wahrscheinlichkeit der Schwangerschaft erhöhen, denn „der Eisprung wird bei der Löwin erst über einen mehrfach wiederholten Geschlechtsakt ausgelöst“, erklärt Joachim Scholz, Löwen-Experte vom Senkenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. „Also nicht erst Eisprung und dann ins Bett, sondern erst ins Bett, dann der Eisprung“. Je öfter eine Paarung stattfinde, desto höher und länger anhaltend sei die Hormonausschüttung, die den Eisprung auslöse. Um die Sache zu beschleunigen, „ist das Geschlechtsteil des Löwen mit kleinen Hornzähnchen besetzt, was allerdings der Löwin Schmerzen bereiten kann, weswegen sie nach vollzogener Paarung dem Löwen gerne eine scheuert“. „Für jedes Löwenjunge, das älter als ein Jahr wird, müssen Löwen ungefähr 3000-mal kopulieren“, erklärt Matthias Papies, Kurator am Tierpark Berlin. Auch sorgten die Männchen so dafür, dass sich kein anderer Löwe mit der rolligen Löwin paare.

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Schwierige Partnersuche

Pandas gelten als Sexmuffel. Das Problem ist freilich nicht die fehlende Lust. Panda-Weibchen sind nur 72 Stunden pro Jahr empfängnisbereit. „Eines der Hauptprobleme ist die Zerstückelung geeigneter Lebensräume, dadurch finden die Tiere in den entsprechenden drei Tagen noch schwerer den richtigen Partner“, sagt Katharina Sperling vom Berliner Zoo. Die Reproduktionsrate in menschlicher Obhut sei deutlich besser: „Hier betreibt das Erhaltungszuchtprogramm ja quasi einen Heiratsmarkt und bildet passende Paare, so dass es mit dem Nachwuchs hier besser klappt.“ Um die Chancen auf einen paarungswilligen Partner in der freien Wildbahn zu erhöhen, machten sich Große Pandas lautstark bemerkbar. „Sie rufen sich mit einer Art Meckern oder Blöken“, erklärt Sperling. „Nach der Paarung trennen sich die Wege des kurzzeitigen Pärchens auch direkt wieder.“

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