Mit achtzehn animierten Kurzfilmen führt David Finchers Netflix-Serie „Love, Death & Robots“ in die Zukunft und in fremde Dimensionen: Hier ist so ziemlich alles möglich.

Stuttgart - Der Blick in einen länger nicht geöffneten Kühlschrank kann manchen Schreckensruf auslösen. Dieser hier mag übertrieben klingen, aber er beschreibt die Lage im Kurzfilm „Eiszeit“ sehr genau: „Ach du Scheiße! Da ist ’ne unbekannte Zivilisation in unserem Kühlschrank.“ Gemeint ist keine fingerdick die Innenwände überziehende Schimmeltapete, sondern der im Zeitraffer ablaufende Aufbau einer Stadt durch winzige Menschlein mitten im Eisfach.

 

„Eiszeit“ ist nämlich Teil der neuen Anthologienserie „Love, Death & Robots“ bei Netflix, in der wir entweder in die Zukunft schauen, oder in magieverzerrte Varianten unserer Vergangenheit, oder eben in einen Kühlschrank, der mit Tiefkühlspinat und Fischstäbchen nicht ganz ausgelastet wäre. Ein wenig Mammutjagd und später ein zünftiger Atomkrieg dürfen es schon sein.

Science-Fiction-Mix wie einst

„Eiszeit“ ist der einzige Beitrag, in dem auch Realfilmanteile zum Einsatz kommen. Die Produzenten David Fincher („Seven“, „House of Cards“) und Tim Miller („Deadpool“) haben mehrere Animationsstudios beauftragt, Filme zu liefern: je unterschiedlicher die Themen und Bilder, desto besser. Und so erinnert „Love, Death & Robots“ an nichts so sehr wie an die SF-Magazine von einst. Die bildeten mit ihrem knallbunten Mix an Geschichten, Weltbildern, Naivitätsstufen, Technikgläubigkeit und Zivilisationszweifeln die eigentliche Arena dieser Literaturgattung, um vieles wichtiger als die Taschenbuchprogramme.

Adaptiert wurden denn auch zumeist Geschichten von gestandenen SF- und Fantastik-Autoren, von Alastair Reynolds, John Scalzi, Marko Kloos, Joe R. Lansdale und Michael Swanwick etwa, und der Ton reicht vom pathetisch Martialischen bis zum hemmungslos Sarkastischen. Und nicht alles ist jugendfrei.

Mit der Wackelpeterkanone

In „Alternative Zeitachsen“ werden in schriller Cartoon-Manier diverse, immer absurdere Todesarten für den jungen Adolf Hitler durchgespielt und die daraus resultierenden Gaga-Varianten der Weltgeschichte. Mal spielt eine riesige zaristische Wackelpeterkanone eine wichtige Rolle, mal landet Willy Brandt 1958 als erster Mensch auf dem Mond. In „Drei Roboter“ besichtigen Touristen aus Blech und Chips die Reste der untergegangenen menschlichen Zivilisation und lernen dabei Katzen kennen; in „Gestaltwandler“ dienen Werwölfe beim US-Militär in Afghanistan, in „Jenseits des Aquila-Riffs“ kommen Raumfahrer weit vom Kurs ab.

In letzterer Geschichte kann man Motive aus Homers „Odyssee“ entdecken, in „Sonnies Vorteil“ werden Computerspiele und illegale Brutalokämpfe von heute weitergedacht, manches hat Tiefsinn, manches schöne Effekte: Dieser Wundertütenmix der Stile und Ansprüche wird hier nicht zum Durcheinander, sondern zum toleranten Fest der Fabulierfreude.

Verfügbarkeit: Alle 18 Folgen bei Netflix abrufbar