Shkodran Mustafi war fast im Urlaub, jetzt spielt er bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Weil Marco Reus ausfiel, rückte er nach seiner ursprünglichen Streichung nachträglich ins deutsche Aufgebot und wurde gegen Portugal auch gleich eingewechselt.

Salvador - Im großen Trubel nach dem Spiel entscheidet sich Shkodran Mustafi für eine sehr ungewöhnliche Maßnahme: Entgegen aller Gepflogenheiten von Fußballprofis schaltet er sein Handy nicht an. Mustafi weiß, es würde nicht aufhören zu vibrieren, die Glückwunschadressen aus der Heimat würden den SMS-Speicher und die Mailbox sprengen. Doch davon will der Nationalspieler vorerst nichts wissen. „Ich muss erst einmal realisieren, was gerade passiert ist“, sagt er, „ich habe das alles noch gar nicht richtig verstanden.“

 

Shkodran Mustafi, 22 Jahre alter Verteidiger von Sampdoria Genua, ist zwar nur eine Randfigur gewesen beim imposanten 4:0-Auftaktsieg der deutschen Nationalelf gegen Portugal. Für den verletzten Mats Hummels wurde er eingewechselt, als das Spiel längst entschieden war, unauffällig verrichtete er seinen Dienst auf der rechten Abwehrseite. Und doch war er viel mehr als das: Indem er zum WM-Spieler wurde, lieferte Mustafi eine der erstaunlichsten Geschichten im DFB-Team.

Überrascht war auch er, als er Mitte Mai in den erweiterten WM-Kader berufen wurde. Mustafi durfte mit in das Trainingslager nach Südtirol, bot dort ansprechende Leistungen – wurde aber erwartungsgemäß wieder gestrichen, als der Bundestrainer Joachim Löw das endgültige Aufgebot bekanntgab. Dann verletzte sich Marco Reus kurz vor dem Abflug – und noch überraschter war Mustafi nun, als er so wieder an Bord war.

Über Everton und Genua in die Nationalmannschaft

Er war gerade in einer Autowerkstatt in Bebra, dem Wohnort seiner Eltern, als Löw anrief. Zwei Tage später wollte er mit Kumpels in den Urlaub nach Ibiza fliegen. Stattdessen stand er kurz darauf neben Bastian Schweinsteiger auf der Fähre nach Santo André und dachte: „Krass, das ist jetzt wirklich Schweini. Und du bist tatsächlich mit der Nationalmannschaft in Brasilien.“

Er sei „Mister Unbekannt“, hat Mustafi zu Beginn der WM-Vorbereitung gesagt, als er von den Reportern noch gefragt wurde, wie man seinen Vornamen ausspricht. Das wird sich nun ändern. Hier also die Fakten: in der Jugend war der Sohn albanischer Eltern, in Bad Hersfeld geboren, drei Jahre lang im Fußballinternat des HSV, mit 17 ging er zum FC Everton. Weil er in England nicht weiterkam, folgte 2012 mit dem Wechsel zu Sampdoria Genua das nächste Abenteuer. „Ich denke, dass ich früher gereift bin als manch anderer in meinem Alter“, sagt Mustafi. Tatsächlich wirkt er sehr klar und reflektiert, spricht vier Sprachen.

In Genua schaffte Mustafi auch den sportlichen Durchbruch. Er hat inzwischen 50 Serie-A-Spiele bestritten und es zum Publikumsliebling gebracht. Sein ungewöhnlicher Karriereweg hat ihm dabei sicher nicht geschadet. In England, sagt er, habe er die körperlichen Grundlagen gelegt, in Italien sei die taktische Schule hinzugekommen. „Ich glaube, das ist nicht die schlechteste Kombination.“

Das findet ganz offensichtlich auch der Bundestrainer, der gegen Portugal nicht Kevin Großkreutz oder Matthias Ginter eingewechselt hat, sondern Shkodran Mustafi. Gut möglich, dass dieses Spiel nicht sein einziger WM-Einsatz bleiben wird.