Der Feminismus bewegt sich zurzeit in einer Gespensterwelt. Die Probleme des Lebens bleiben außen vor, meint StZ-Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Alarm! Alarm! An der Feministinnenfront tut sich was. Aus allen möglichen Ecken und Enden im Blätterwald der Republik schreit es uns unisono entgegen: Kampf den alten weißen machtgeilen Männern, Kampf den männlich geprägten Strukturen, Kampf den Männern überhaupt. Das geht dann bis zur gespielt vulgär angedrohten Strafe der Kastration, wie dieser Tage in der Wochenschrift „Die Zeit“ verkündet und mit einem triumphierenden Aufschrei verziert: Ha Buben, jetzt sind wir dran und dabei mindestens so schweinisch wie ihr! Auf die Knie mit euch! Da möchte man wahrlich kein Kerl sein.

 

Obwohl es absolut angesagt erscheint, in diesem Chor mitzusingen, findet die Aufführung fern des bundesdeutschen Alltags in einer eigenen Welt statt. Einer Gespensterwelt. Mit den wirklichen Problemen dieser Gesellschaft hat die verbreitete feministische Aufgeregtheit wenig zu tun. Doch es ist so schön, einmal richtig auszuteilen; es macht gute Gefühle, sich als Opfer auszugeben; es verschafft Genugtuung, Respekt einzufordern; es ist lohnend, sich wichtig zu machen. Und natürlich gibt es abscheuliche Machos wie die Herren Weinstein oder Trump, natürlich gibt es Frauen, die unterdrückt, beleidigt, misshandelt werden – vor allem in anderen Weltgegenden oder in den Parallelgesellschaften des Westens. Und darüber hinaus?

Gleichstellung garantiert

Bei uns sieht es erst einmal ziemlich gut aus. Da garantiert das Grundgesetz die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau. Eine Bundeskanzlerin regiert das Land, eine Verteidigungsministerin kommandiert die Truppen. An der Spitze von CDU, SPD und Grünen stehen Frauen. Im Fernsehen sprechen mindestens so viele Frauen wie Männer die Nachrichten und Kommentare. Die bekanntesten Moderatorinnen sind weiblich. Eine Frau steht dem Bundesgerichtshof vor. Frauen leiten Schulen, Krankenhäuser, Forschungsinstitute und mittelständische Unternehmen. Dass Frauen trotz alledem in den leitenden Positionen von Wirtschaft und Gesellschaft oft unterrepräsentiert sind, hat weniger mit der Perfidie der Männer als mit den Grundbedingungen der weiblichen Natur zu tun.

Zwar können Frauen bis auf die Knochenjobs, die Muskelkraft erfordern, selbstverständlich alles, was Männer können, manches sogar besser. Im Multitasking sind sie dem vermeintlich starken Geschlecht haushoch überlegen. Und sie können Kinder bekommen. Aber da man nur schwer gleichzeitig einen Job – erst recht einen Spitzenjob – ausüben und einen Säugling stillen kann, wirft sie die Mutterschaft beruflich zurück. Zunächst sitzen sie zu Hause fest – körperlich und emotional. Es ist nun einmal nicht dasselbe, ein Kind nur zu zeugen oder es danach auch noch auszutragen. Der Vater kann ihm nicht die Brust geben, vorerst wenigstens. Da helfen auch die schönsten Genderträume nichts. Kein Binnen-i löst das Problem, nicht die Entfernung einer angeblich sexistischen Schrift von einer Berliner Hauswand, nicht die gendergerecht unser schönes Deutsch verhunzende Sprache überhaupt.

Ideologische Verkleisterungen

Das alles ist völlig irreal. Unsere Zeitgeist-Amazonen erfinden Probleme, um sich mit deren Lösungen als Verein der Weltbeglückerinnen präsentieren zu können. Was etwa ist damit gewonnen, wenn sich nun niemand mehr traut von Studenten zu sprechen und zu schreiben? Wenn wir jetzt nur noch Studierende haben, weil angeblich nur dieser Begriff die Studentinnen einschließt?

So sehen ideologische Verkleisterungen aus. Das Leben findet ganz woanders statt. Statistisch gesehen ist das Kinderkriegen für Frauen das Haupthindernis, um Karriere zu machen. Und es ist der Hauptgrund dafür, dass sie in Teilzeitbeschäftigungen arbeiten, also weniger verdienen als Männer und im Alter geringere Renten beziehen. Angesichts dieser Tatsachen ist es völlig schnuppe, ob die Straße um die Ecke den Namen einer Frau oder eines Mannes trägt, worüber in Berlin heiß gestritten wird.

Was also kann helfen? Hilfreich ist Geld. Dann kann man sich eine Nanny leisten. Hilfreich sind Großmütter, und hilfreich vor allem sind Kitas. Ganz vereinzelt erweist sich auch ein Mann als haushütender Retter, selbst wenn er seinen Sprössling nicht zu säugen vermag.

Frauen in die Parteien

Weil das alles so schwierig ist, bleiben viele Erfolgsfrauen kinderlos. Wer Kinder in die Welt setzt und kaum Betreuungsmöglichkeiten hat, begnügt sich notgedrungen mit verminderten Chancen und geringerem Einkommen. Solange die Babys nicht aus dem Bauch der Väter oder aus der Retorte kommen, haben wir es hier, was die weibliche Aufholjagd betrifft, mit einem Rest an Unlösbarkeit zu tun.

Nun ist in dieser Legislaturperiode auch noch der Frauenanteil im Bundestag von 36,5 auf 30,7 Prozent gesunken. Statt sinnlos herumzugendern und das Phantom des alten weißen Mannes zu jagen, wäre hier ein Feld für weibliche Wirkungen gegeben. Also hinein in die Parteien, Ortsvereine entern, Delegiertenkonferenzen dominieren, ein Mandat erringen, für noch mehr Kitas sorgen, Papa bleibt abends beim Nachwuchs: Das wäre viel mehr als diese eitle feministische Schaumschlägerei.