Die Häuser in der Wilhelm-Blos-Straße stammen aus den 1920er Jahren. Anwohner dort befürchten, dass ein Neubau ihre Siedlung verändern könnte.

S-Nord - Noch bietet die Siedlung unterm Killesberg in der Wilhelm-Blos-Straße ein einheitliches Bild: Die Einfamilien-Doppelhäuser sind in den 1920er Jahren vom Bau- und Heimstättenverein Stuttgart gebaut, ähneln sich alle – und sind vor allem gleich hoch. Doch das könnte sich bald ändern: Das Haus Nummer 24 soll an den Meistbietenden verkauft werden. Das Mindestgebot liegt bei 625 000 Euro.

 

Die Doppelhaushälfte daneben gehört dem Ehepaar Ranz. Dass das Nachbarhaus möglicherweise nicht saniert, sondern abgerissen und durch eine alleinstehenden Neubau ersetzt werden könnte, haben sie durch eine Karte erfahren, die im Briefkasten steckte. „Darauf wirbt der Makler damit, dass auf dem 551 Quadratmeter-Gelände ein Neubau für drei Familien mit insgesamt bis zu 300 Quadratmetern Wohnfläche entstehen könnte“, sagt Elfriede Ranz.

Problematisch für die 78-Jährige und ihren 83 Jahre alten Mann Arno ist, dass sich ihr Haus in den letzten Jahren gesenkt hat, die beiden Doppelhäuser nur durch eine gemeinsame, dünne und auch schon rissige Wand getrennt sind und beide Häuser ein gemeinsames Dach haben. „Bei einem Abriss können an unserem Haus schwere Schäden entstehen, und für die Reparatur wird sich niemand zuständig fühlen“, sagt Elfriede Ranz. Außerdem werde durch ein Gebäude in dieser Größenordnung der Charakter der Siedelung zerstört. „So ein Klotz passt doch gar nicht zu den Häuschen mit um die 100 Quadratmeter“, ist sie überzeugt.

Bis 1980 kaufte der Bau- und Heimstättenverein die Häuser zurück

Da setzt auch Bezirksbeirat Axel Alt (SPD) an und fordert, dass historisch gewachsene, das Stadtbild prägende Siedlungen zu erhalten sind. Außerdem befürchtet er, dass die prächtige Zeder im Garten von Haus 24 trotz Baumschutzsatzung gefällt wird. Ein möglicher Investor könnte durch das Fällen einfach Tatschen schaffen und dafür eben das Bußgeld bezahlen.

Gefährdet ist der Charakter der Siedlung unterm Killesberg bereits seit den 1980er Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Eigentümer ihre Häuser nicht frei verkaufen. Ein Gutachter schätzte den Verkehrswert der Gebäude. Der Bau- und Heimstättenverein kaufte die Gebäude wieder zurück und vergab sie weiter. Alt: „Diese Praxis geht auf ein Gesetz aus dem Jahr 1890 zurück, es hätte 1980 erneuert werden müssen. Das hat man aber vergessen oder auch nicht gewollt.“

Was mit Haus Nummer 24 passiert, wisse er noch nicht, sagt der Immobilienmakler Matthias Bratek. Er vermarktet das Gebäude. Vorstellbar sei, dass kernsaniert, abgerissen und eine neue Doppelhaushälfte gebaut oder aber ein freistehendes Haus errichtet wird. Eine Kernsanierung hält er für am problematischsten, weil das Gebäude nicht mehr den heutigen Standards entspricht. Er räumt aber ein, dass ein Abriss wegen des Nachbarhauses tatsächlich eine heikle Sache sei.

Das Baurechtsamt teilte mit, dass die Gebäude Bestandsschutz haben, dies den Eigentümer aber nicht daran hindere, sein Gebäude durch einen genehmigungsfähigen Neubau zu ersetzen. Ein Antrag auf Abriss liege derzeit allerdings noch nicht vor. Soll abgerissen werden, müsse aus dem Bauantrag hervorgehen, dass dadurch die Standsicherheit für die andere Haushälfte nicht beeinträchtigt würde.