Eigentlich sollte erst im Sommer entschieden werden, jetzt ging es schneller: Roland Busch übernimmt nach und nach die Macht bei Siemens von Joe Kaeser. Wer sonst noch gehen muss.

München - Siemens erlaubt sich einen Machtkampf zur Unzeit. Noch weitgehend planmäßig ist der jetzt verkündete Wechsel vom langjährigen Konzernchef Joe Kaeser auf seinen heutigen Vize Roland Busch. Das war zu erwarten, obwohl der 62-jährige Kaeser zuletzt mit einer Verlängerung seines Anfang Februar 2021 auslaufenden Vertrags kokettiert hatte. Als Nachfolger gesetzt galt der 55-jährige Busch. Nur der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wechsels an der Siemens-Spitze kam unverhofft. Sie war für Sommer vorgesehen.

 

„Ich bin sehr froh, dass der Siemens-Aufsichtsrat den Nachfolgeprozess noch schneller als ursprünglich geplant entschieden hat“, kommentiert Siemens-Chefausseher Jim Hagemann Snabe die Entwicklung. Bei dieser Personalie allein ist es aber nicht geblieben.

Als Paukenschlag darf der zweite Akt des Geschehens gelten. Denn Siemens tauscht auch das Führungsduo des abgespaltenen Zweitkonzerns Siemens Energy aus und hält trotz Coronakrise an dessen Börsengang Ende September fest. „Im gegenseitigen Einvernehmen“ scheidet nämlich Michael Sen als bisheriger Chef von Siemens Energy aus. Gehen muss zudem Finanzchef Klaus Patzak.

Unterschiedliche Interessenlagen

„Dieser Wechsel ist nicht ideal gerade jetzt, aber unumgänglich“, erklärte Snabe. Die Posten des Duos übernehmen Anfang Mai fünf Monate vor geplantem Börsengang der vom Gasekonzern Linde abgeworbene Christian Bruch als Vorstandschef und die von Siemens intern rekrutiere Maria Ferraro als Finanzvorstand.

„Es hat unterschiedliche Interessenlagen gegeben“, erklärte der scheidende Siemens-Boss Kaeser den Abgang von Sen und Patzak vage. Es habe darüber Disput gegeben, wie schnell sich Siemens Energy vom Mutterkonzern Siemens abnabeln und verselbstständigen könne sowie um Nutzungsrechte an der Marke Siemens. „Sen hätte lieber wenig Leine zu Siemens gehabt und schnell alles selbst entscheiden wollen“, erläutert ein Insider. Kaeser will dagegen, dass Siemens zunächst noch größere Anteile an Siemens Energy hält und beim Börsengang nur wenig mehr als die Hälfte abgibt. Zudem hätten sich beide Manager in der Frage von Lizenzzahlungen für die Nutzung der Siemens-Namensrechte verhakt, für die der Mutterkonzern Geld erhält. Im Aufsichtsrat von Siemens ist das nicht gut angekommen.