An diesem Freitag beginnen die Osterfestspiele in Baden-Baden. Es sind die vorletzten mit Simon Rattle als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, die 2017 zum fünften Mal im Festspielhaus residieren.

Baden-Baden -

 

Simon Rattle spricht im Interview mit Georg Rudiger über seine späte Liebe zu Puccini, den Wechsel zum London Symphony Orchestra und über Jürgen Klopp beim FC Liverpool.

Herr Rattle, als Ihr Orchester 2013 erstmals Residenzorchester der Osterfestspiele war, hingen in der Stadt Banner mit der Aufschrift: „Willkommen zu Hause, Berliner Philharmoniker!“ Fühlen Sie und das Orchester sich inzwischen zu Hause in Baden-Baden?
Absolut. Es ist gut, manches Mal von Berlin aus in den Süden zu kommen. Da erkennt man auch, welch anderes Deutschland hier zu erleben ist. Die Menschen sind freundlich, sie haben Zeit. Jeder fühlt sich hier gleich entspannt. Auch im Festspielhaus werden wir immer sehr herzlich empfangen. Wir erfüllen Baden-Baden zwei Wochen mit Musik: Das ist ein echtes Vergnügen.
Die Entscheidung, die von Herbert von Karajan im Jahr 1967 gegründeten, traditionsreichen Osterfestspielevon Salzburg nach Baden-Baden zu verlegen, war innerhalb des Orchesters nicht unumstritten. Wie haben sich die Osterfestspiele in Baden-Baden verändert?
Es ist ein großes Privileg, hier in Baden-Baden zu sein. Wir sind Gäste des Festspielhauses. Das ist etwas ganz anderes als in Salzburg, wo wir von Ferne aus dafür sorgen mussten, dass die Dinge ins Laufen kommen. Dass wir dort die Opernproduktionen nur zweimal spielen konnten, war eines der größten Probleme. Für ein Orchester wie die Berliner Philharmoniker, das nur einmal im Jahr eine Oper spielt, ist es natürlich besonders schwierig, dies nur zu Beginn und am Ende eines 14-tägigen Festivals zu tun. Das war schon ziemlich verrückt. Vor der Premiere waren wir alle nervös – und bei der zweiten Aufführung zwei Wochen später hatten wir fast alles wieder vergessen (lacht). Hier in Baden-Baden haben wir vier Aufführungen, was natürlich auch wirtschaftlich viel sinnvoller ist. Salzburg war sehr exklusiv. Hier haben wir mehr Offenheit. Und können mehr und unterschiedlichere Konzerte spielen – darunter viele Kammerkonzerte.
Vor zwei Jahren haben Sie in Baden-Baden mit „Manon Lescaut“ Ihre erste Puccini-Oper dirigiert. Dieses Jahr ist es mit „Tosca“ die zweite. Warum haben Sie Giacomo Puccini so spät für sich entdeckt?
Zum einen war ich zu schüchtern. Ich habe Puccinis Musik immer geliebt, aber hatte das Gefühl, sie nicht dirigieren zu dürfen. Als ich es dann tat mit „Manon Lescaut“, dachte ich: Was war ich doch für ein Dummkopf, dass ich die letzten 35 Jahre Puccini gemieden hatte! Aber vielleicht hat es auch etwas Gutes, dass ich mich erst so spät mit dem Komponisten beschäftige. Ich bringe eine gewisse Unschuld mit, die ich nicht hätte, wenn ich schon viele Jahre als Dirigent mit Puccini vertraut gewesen wäre. Wir haben großartige, neugierige Solisten gefunden, die sich auf die Probenarbeit freuen, was im heutigen Betrieb nicht selbstverständlich ist. Als ich unserem wunderbaren Tenor Marcelo Álvarez sagte, dass wir vier Bühnenorchesterproben haben, konnte er es kaum glauben. Das hat er mit diesem Werk noch nie erlebt. Die meisten aus unserem Orchester spielen „Tosca“ zum ersten Mal – und das ist wahrlich kein leichtes Stück.