Beim VfB Stuttgart spielen viele hoffnungsvolle Talente – doch wo stünde die Mannschaft ohne Simon Terodde?

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - In den wirren Wochen nach dem Abstieg aus der Bundesliga war schnelles Handeln gefragt. Also suchten die verbliebenen Steuermänner auf der Kommandobrücke des VfB Stuttgart nach naheliegenden Lösungen. Ein Trainer mit Aufstiegserfahrung sollte her, dazu ein namhafter Spieler, der den erzürnten Anhang wieder etwas besänftigen sollte. Die Wahl fiel auf Jos Luhukay und auf Simon Terodde, den erfolgreichsten Torjäger der zweiten Liga.

 

Nicht besonders einfallsreich, aber sicher vernünftig, lautete der Tenor damals. Schließlich war die größte Krise der jüngeren Vereinsgeschichte auch nicht der geeignete Zeitpunkt, um das Fußballgeschäft neu zu erfinden.

Während die Sache mit Luhukay schnell als Fehlgriff erkannt und korrigiert wurde, lief auch Terodde in den ersten Spielen neben der Spur. In Bochum, von wo aus der 28-Jährige in den Süden gewechselt war und wo man die drei Millionen Ablöse ein Jahr vor Vertragsende gerne einstrich, sah man sich bestätigt. Terodde, ein Torjäger: ja. Aber einer, dem es an Technik sowie an Schnelligkeit für den nächsten Entwicklungsschritt raus aus dem Bochumer Zweitliga-Grau fehlt.

„Er macht den Unterschied“

Nun, ein halbes Jahr später, hat sich die Sache mit Simon Terodde doch ein wenig anders entwickelt. Mit inzwischen 14 Saisontoren (bei 18 Einsätzen) hat der Modellathlet aus dem Münsterland entscheidenden Anteil daran, dass sich sein neuer Club auf direktem Weg zurück Richtung Bundesliga befindet. Beim jüngsten 2:1-Sieg gegen den SV Sandhausen traf der Sturmtank erneut doppelt. Zum siebten Mal in dieser Spielzeit waren Teroddes Tore für den VfB am Ende spielentscheidend.

Da könnte man schon mal euphorisch werden. Bei Simon Terodde klingt das dann so: „Ich freue mich natürlich sehr, dass ich mit meinen Toren zum wichtigen Erfolg beitragen konnte.“ Leise Töne eines Instinkt-Torjägers, der gegen Sandhausen die viel gepriesene geballte Offensivstärke des VfB mit all den Schindelmeiser-Transfers (Carlos Mané, Takuma Asano, Julian Green) fast ein wenig in den Schatten stellte. Die Mannschaft von Hannes Wolf spielt zwar schnell und mitunter ganz ansehnlichen Fußball – aber wo stünde sie ohne Terodde? Sicher nicht ganz oben.

„Er macht den Unterschied“, stellte Sandhausens Präsident Jürgen Machmeier fest. Er musste mit ansehen, wie sein Torjäger Richard Sukuta-Pasu nach dem Ausgleichstreffer weitere Möglichkeiten verstreichen ließ. Terodde war dagegen zur Stelle, als ihm fünf Minuten vor dem Abpfiff der Ball aufgelegt wurde – und er zum spielentscheidenden Seitfallzieher ausholte.

Geschätzt als Teamplayer

Doch seine Tore sind nur das eine. „Das Gesamtpaket ist viel wertvoller“, sagt Sportvorstand Jan Schindelmeiser. Auf dem Platz, wo Terodde durch viel Laufarbeit auch Bälle erobert und gegnerische Angriffe frühzeitig unterbindet. Und neben dem Platz. Dort wird der Familienvater als Teamplayer geschätzt, welcher der jungen Truppe Halt gibt. Folgerichtig wurde er in der Winterpause von Trainer Hannes Wolf auch als Mannschaftsrat bestimmt. Um den Gemeinschaftsgedanken hochzuhalten, vermeidet Wolf fast demonstrativ ein Sonderlob für seine Kanone vom Dienst: „Jedes Tor, das er für uns schießt, ist eine Teamleistung.“

Vor der kommenden Aufgabe am Freitag (18.30 Uhr) beim 1. FC Heidenheim hat sich Wolfs offensives 4-1-4-1-System verfestigt. Terodde bildet darin die Speerspitze, neben der für den vermeintlich höher veranlagten Daniel Ginczek im Moment kein Platz ist. Es dürfte eine der spannendsten Fragen der Zukunft sein, wie Wolf die beiden Sturm-Riesen in seinem Gefüge vereinen könnte.

Wann stürmt das Duo Terodde/Ginczek?

Noch fehlen dem lange verletzten Ginczek Fitness und Spielrhythmus, das hat sein Kurzauftritt gegen Sandhausen gezeigt. Dennoch glaubt er an eine Zukunft des Angriff-Duos Terodde/Ginczek: „Dass das gut funktionieren kann, haben wir schon bewiesen“, sagte der 25-Jährige bei „Sport im Dritten“. Auch Terodde sieht sich keinesfalls auf die Rolle des alleinigen Stoßstürmers reduziert. In Bochum hat er gezeigt, dass er in beiden Systemen erfolgreich vollstrecken kann.

Nun ist der 28-Jährige nur noch den Beweis schuldig, dass das mit dem Toreschießen auch eine Etage höher so leicht vom Fuß geht. Während Kritiker in ihm weiterhin nur einen Top-Zweitligatorjäger sehen, sieht der Boulevard in Terodde schon „einen für Jogi“.

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Mit dann 29 Jahren könnte sich Terodde im Sommer als Spätzünder endlich den Traum von der Bundesliga erfüllen. Und damit einen weiteren Beweis antreten: dass die naheliegendste Lösung manchmal eben auch die beste ist.